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Zurückkehrende Urlauber erwarten neue Filme im August 2019, Teil 1

Besucherzahlen in den Filmtheatern lassen sich fast von der Wetterkarte ablesen.

Restaurant "Zur alten Filmkiste" im Ostseeheilbad Zingst © BAF


Die Sommerferien in unserer Region gehen zu Ende, die Urlauber kehren langsam zurück und verstopfen ab Montag wieder die Straßen in der Hauptstadt Berlin. Auch wir waren übers Wochenende verreist und haben den Ostseestrand an der 45 Kilometer langen Halbinsel Fischland-Darß-Zingst aufgesucht.

Bei wunderschönem, fast windstillem Wetter aalten sich dort tausende Besucher in der Sonne. Dabei fiel uns eines auf: Es gibt in Zingst kein Kino mehr. Vieles wurde abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Das etwas versteckt liegende Restaurant "FILMKISTE", eine Reminiszenz der jetzigen Inhaberin an ihren Großvater, der einst Trickfilmer war, ist eine der wenigen Erinnerungen an alte Zeiten, als die Bilder noch das Laufen lernten.

Mondsichel im Sonnenuntergang an der Ostsee © BAF


Das Erlebnis des abendlichen Sonnenuntergangs, den Hunderte von Zuschauern auf der Seebrücke von Zingst an diesem Abend gemeinsam bewundern, muss als Ersatzbild genügen.

Allerdings gab es vor einigen Jahren im Nachbarort von Zingst, dem ca. 8km entfernt liegendem Ostseebad Prerow, wenigstens noch zur Urlaubszeit neben einem mobilen Zirkus ein temporäres Open-Air-Kino. Übrig geblieben ist davon nur der Kindersommer mit Vorführungen von Märchenfilmen für die "LÜTTEN" im Kulturkaten Kiek In, das der abendlichen Unterhaltung für die 'Kleinen' dient und recht gut besucht sein soll.

Mit dem 1998 renovierten Cinema Prerow, einem seit 1956 bestehendem alten Kino, das vormals ein Tanzsaal war, existiert zudem ein moderner Kinosaal, der auch in digitaler Projektion 3D-Filme zeigen kann.

Außerdem gibt es jeweils Anfang Oktober ein jährliches Naturfilmfestival in verschiedenen Location auf dem Darß. Spielorte sind neben Born und Wieck, das Ostseebad Prerow, das Ostseeheilbad Zingst sowie das Ozeaneum in Stralsund – Europas Museum des Jahres 2010.

Bundesweit dagegen lassen sich derzeit die Besucherzahlen in den Kinos nahezu an der Wetterkarte ablesen. In Gegenden, in denen es noch warm und sonnig ist, sind die Filmtheater ziemlich leer. In Gebieten in denen es in den letzten Tagen kräftiger geregnet hat, vermelden die Filmtheaterbesitzer glücklicherweise etwas bessere Umsatzzahlen.

Unterstützung bekommen die Kinos durch neue Filme, die schon jetzt wieder auf Zuschauer warten.

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"ES GILT DAS GESPROCHENE WORT" Drama von Ä°lker í‡atak (Deutschland, Frankreich). Mit Anne Ratte-Polle, Arman Uslu, Godehard Giese u.a. seit 1. August 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Ein Paar hat sich soeben das Ja-Wort auf einem Standesamt gegeben. Die letzten Worte der Beamtin lauten: „Es gilt das gesprochene Wort“. Man muss gar nicht genau hinsehen, um zu erkennen, dass es sich hier um eine Scheinehe handelt.

Die taffe, etwas spröde wirkende Marion (Anne Ratte-Polle) darf aufgrund einer Krebsdiagnose ihren Beruf als Pilotin nicht mehr ausüben. Um sich abzulenken, fliegt sie mit ihrem Freund nach Marmaris, um einige erholsame Tage am Strand zu verbringen. Baran (Ogulcan Arman Uslu), der sich für seine Liebesdienste bezahlen lässt und sein Geld mit kellnern verdient, umwirbt auch Marion. Er ist auf der Suche nach einer Frau, die ihn mit nach Deutschland nimmt. Wie so viele, träumt er von einem besseren Leben jenseits des Bosporus. Eigentlich hat sie ihm nur ein paar Hemden ihres Freundes gegeben, den sie mehr oder weniger abserviert hat, bevor auch sie abreist. Doch dann, ganz gegen ihre reservierte Art, lässt sie sich auf das Wagnis ein und schließt mit ihm einen pragmatischen Deal.

Sie besorgt ihm eine Wohnung, hilft ihm bei der Jobsuche, dass einzige, was sie von ihm verlangt, dass sein Scheiß nicht auch ihr Scheiß wird. Dann geben sie sich auf einem Standesamt in Hamburg das Ja-Wort. Marion widmet sich wieder ihrem Alltag, während Baran Deutschkurse belegt, den Führerschein macht und ab und zu gefundene Fahrräder auf dem Flohmarkt verkauft. Drei Jahre müssen sie durchhalten, bis er eingebürgert werden kann.

Warum Marion sich auf diese Ehe eingelassen hat wird mit keinem Wort erwähnt. Genau das ist die Stärke dieses Films. Er erzählt eine Liebesgeschichte, in der nicht alles ausgesprochen wird. Vielleicht weiß sie es selbst nicht. Vielleicht war es die Beharrlichkeit der jungen Mannes, mit der er sein Ziel verfolgt. Marion, deren Leben bisher mehr über den Wolken stattfand und die jetzt gezwungenermaßen vielleicht ein zielgerechtes Leben auf der Erde anstreben muss, hat mit dieser Entscheidung einen Weg gefunden, um sich neu zu definieren, ohne sich groß einzuengen. Für Baran stellen sich nach und nach Zweifel ein. Er versteht nicht, warum sie ihn überhaupt geheiratet hat, ihn, einen Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis. Im Laufe der Zeit, nennt er sie nur noch Captain, denn er spürt seine Abhängigkeit und die Schwierigkeiten, die mit einer Integration einhergehen. Es sind oft unausgesprochene Dinge, die uns zum Handeln bewegen und man selbst nicht begreift, warum man dies oder jenes tut aber dennoch weiß, dass es richtig ist, egal was es für Konsequenzen hat. „Es gilt das gesprochene Wort“, ein Versprechen, an das sich beide halten. Es ist ein Film über zwei Menschen, die sich über innere und äußere Widerstände hinwegsetzen und nicht nur die Liebe finden sondern auch zu sich selbst.

Ä°lker í‡atak, der mit Nils Mohl zusammen das Drehbuch schrieb, hat zwei wunderbare Hauptdarsteller gefunden, die mit ihrer Mimik und Körpersprache mehr ausdrücken als es das gesprochene Wort oft vermag. Selten erlebt man eine Schauspielerin, die ihren Text mit einer solch grandiosen Natürlichkeit spricht, wie Anne Ratte-Polle es tut. Ihren Namen sollte man sich spätestens jetzt merken. Für Arman Uslu ist es seine erste Hauptrolle in einem Kino-Film für die er einen Preis bekam.

Ulrike Schirm


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"DER UNVERHOFFTE CHARME DES GELDES" Kriminal-Komödie von Denys Arcand (OT: "La chute de l'empire américain", Kanada). Mit Alexandre Landry, Maripier Morin, Rémy Girard, Pierre Curzie, Maxim Roy u.a. seit 1. August 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Schon in seinen Filmen „Untergang des amerikanischen Imperiums“ (1986) und in „Die Invasion der Barbaren“ (2003) für den er einen Oscar bekam, übte der kanadische Regisseur Denys Arcand heftige Kritik am Kapitalismus.

In seiner Kriminalkomödie „Der unverhoffte Charme des Geldes“ bewegt ihn dieses Thema weiterhin, nur nicht ganz so bissig wie zuvor.

Auf den ersten Blick könnte man Pierre-Paul für total naiv halten. Doch wenn er seinen Mund aufmacht, überzeugt er mit intelligenten Sprüchen, die den Zustand auf unserer Welt und denen, die sie regiert, beschreibt. Obwohl er ein examinierter Philosoph ist, arbeitet er als Kurierfahrer in Montreal. Er ist nicht nur ein Pessimist, sondern auch ein eingefleischter Kapitalismuskritiker, mit dazu gehörenden Depressionen. Eigentlich ist er viel zu klug und zu gut für diese Welt. Für die zahlreichen Obdachlosen in seiner Stadt, hat er täglich etwas Geld übrig. Er denkt ständig darüber nach, mit welchen Methoden man, den von ihm gehassten Kapitalismus, aushebeln kann.

Während seiner Arbeit, wird er Zeuge einer blutigen Schießerei nach einem Überfall. Zwei der Gangster liegen tot am Boden, der dritte entkommt schwer verletzt. Zurück bleiben zwei große Reisetaschen, vollgestopft mit Geldscheinen. Ohne nachzudenken, packt er die Taschen in sein Auto und fährt nach Hause. Was macht nun ein so guter Mensch wie er mit so einem Batzen Geld?

Er verabredet sich mit dem teuersten Escort-Girl der Stadt. Aspasie nennt sich die junge Dame. Als es ans bezahlen geht, beobachtet sie, dass seine Schublade voller Banknoten ist. Nun ist sie nicht abgeneigt, ihn ab und zu wieder zu treffen. Nach kurzer Zeit erzählt er ihr, woher das Geld stammt und schmiedet mit ihr und mit Hilfe eines aus dem Knast entlassenen, windigen Finanzexperten Sylvain, genannt „The Brain“, einen Plan.

Auf die Idee, dass die beiden es nur auf sein Geld abgesehen haben, kommt er nicht. Längst hat ihn die Drogenmafia und die Polizei im Visier. Auch sie haben großes Interesse an den Millionen. Eigentlich macht er alles falsch, was man nur falsch machen kann. Er hat sich bereits in Aspasie verknallt und schenkt ihr blind sein Vertrauen und ob es Sylvain gut mit ihm meint, sei auch dahingestellt. Aspasie überlegt schon, wie sie einen ihrer ehemaligen Kunden, den gerissenen Offshore-Banker Tascherreau, mit ins Boot nehmen kann. Einer, der die skrupellosen, verschlungenen Wege der Geldwäsche kennt.

Jetzt wird die Geschichte spannend und soll auch nicht verraten werden. Auf jeden Fall fiebert man mit dem sympathischen Weltverbesserer mit und hofft, dass er auf einem guten Weg ist. Ja, man wünscht sich viel, viel mehr von dieser Sorte Mensch.

Arcand, der auch das Drehbuch geschrieben hat, punktet mit klugen Dialogen und einem spielfreudigem Schauspielerensemble und köstlicher Situationskomik. Seine Kritik an den gesellschaftlichen Missständen hat er geschickt humorvoll verpackt.

Ulrike Schirm

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"LOVE AFTER LOVE" Drama von Russel Harbaugh (USA | Tribeca Film Festival 2017). Mit Andie MacDowell, Chris O'Dowd, Gareth Williams u.a. seit 1. August 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Nach einem schweren Krebsleiden ist Glenn im Kreise seiner Familie qualvoll verendet.

Das Drama erzählt in bruchstückhaften Einstellungen wie durch seinen Tod das Leben der Witwe (Andie McDowell) und der beiden Söhne Nicholas (Chris O´Dowd) und Chris (James Adomian) aus den Fugen gerät. Jeder von ihnen trauert auf seine Weise.

Nicholas trennt sich von seiner Kollegin Rebecca und verlobt sich mit einer Studentin seines Vaters, obwohl er ganz offensichtlich noch an Rebecca hängt, was er als emotionale Rückkopplung bezeichnet. Chris, ein glückloser Romanautor, das schwarze Schaf in der Familie, beginnt sich immer öfter zu betrinken. Witwe Suzanne stürzt sich in einige Affären, lernt einen älteren Mann kennen, was Nicholas dazu veranlasst, bei einer Party das Glas mit den zynischen Worten, auf eure neue Seniorenbeziehung, zu erheben. Es schmerzt, mit anzusehen, wie tief der Tod des Vaters, beide Söhne getroffen hat.

Irgendwann stellt sich Chris hin und hält eine hochemotionale Rede, die mit den Worten beginnt: Mein Dad ist tot”¦ in der er seine Trauer zum Ausdruck bringt.

Es dauert, bis man als Zuschauer, einen Zugang zu den Personen findet und begreift, wieso und warum, sie sich so abschreckend verhalten.

Russel Harbaughs Spielfilmdebüt macht es einem nicht leicht, die innere Zerrissenheit seiner Protagonisten zu verstehen.

Ulrike Schirm




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