Skip to content

Kinotipps zu neuen Filmstarts im Juni 2019, Teil 2

Unsere Filmkritiken zu drei am letzten Donnerstag bundesweit gestarteten Filmen.



Plötzlich sind am Wochenende in ganz Deutschland die hochsommerlichen Temperaturen rapide gesunken. Zwar soll es zum Wochenbeginn wieder über 30° C heiß werden, doch dann folgen bald auch wieder kräftige Gewitter. Für die Open-Air-Kinos sind das weniger schöne Aussichten, doch für die übrigen Filmtheaterbesitzer dürfte es ein Segen sein, wenn das Publikum statt im Freien zu bleiben, zurück in die Kinos kehrt. Zu sehen ist dort u.a. Jim Jarmusch's jüngste Zombie-Komödie, der Eröffnungsfilm der letzten Filmfestspiele von Cannes.

Übrigens haben die gerade gestarteten Blockbuster "Men In Black: International" und „X-Men: Dark Phoenix“ weder in den USA, noch bei uns ihre erhofften Ziele, in den Spitzenpositionen der Charts zu gelangen, erreicht. Die Neuverfilmung von "Shaft", Gordon Parks hochgelobtem Actionfilm aus dem Jahre 1971, landete wegen schlechter Einspielergebnisse in den USA bei uns sogar ohne Kinostart gleich beim Streamingdienst Netflix.

+++++++++++++++

"EIN FETTER SOMMER" (OT. „Measure of a Man“) Coming-of-Age Dramödie von Jim Loach (USA). Mit Donald Sutherland, Blake Cooper, Judy Greer u.a. seit 13. Juni 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Basierend auf dem Roman „A Fat Summer“ des US-Autors Robert Lipyte, hat der Film & Fernsehregisseur Jim Loach, Sohn von Ken Loach eine berührende Coming-of-Age-Geschichte gedreht.

Der Roman wurde von der „Library of Congress“ zum „Besten Jugendbuch“ prämiert.

July 1976. Der 14-jährige Bobby (Blake Cooper) muss die Sommerferien mit seinen Eltern, wie schon die Jahre zuvor, in ihrem Ferienhaus in einem kleinen Ort am See verbringen. Eine Qual für den dickleibigen Jungen. Sommer bedeutet für die meisten, leichte Kleidung, schwimmen im See. Aber nicht für Bobby. Nicht nur, dass er sich nicht auszuziehen mag, er wird auch noch gehänselt und gedemütigt. Die Feriengäste sind nicht sehr beliebt in dem kleinen Ort. Besonders eine Gruppe Jugendlicher hat es auf ihn abgesehen. Sie pöbeln ihn an, wann immer sie ihn treffen. Um dem möglichst aus dem Weg zugehen, sucht er sich einen Ferienjob. Er mäht den Rasen bei einem gewissen Dr. Kahn (Donald Sutherland), dessen Haus in einer riesengroßen Parklandschaft steht.

Eine anstrengende Arbeit für den unsportlichen dicklichen Jungen. Doch er beißt die Zähne zusammen. Als er nach getaner Arbeit das bisschen Geld zählt, was ihm der arrogant wirkende und strenge Kahn ihm überreicht, ist seine Enttäuschung gross. Es ähnelt einer weiteren Demütigung. Doch tapfer geht Bobby weiter zu ihm hin. Nur kurz sieht man, dass Kahn eine tätowierte Nummer am Unterarm hat, worauf aber im Film nicht näher eingegangen wird und man sich als Zuschauer seine eigenen Gedanken macht. Im Laufe der Zeit ändert sich das Verhalten Kahns und Bobby und er gehen respektvoll miteinander um. Es hat den Anschein, dass beide voneinander lernen.

Die Geschichte ist leise und dennoch packend erzählt. Mit sensibler Feinfühligkeit spielt Cooper den an Selbstwert leidenden Jungen und der dennoch eine innere Stärke besitzt. Es berührt wie er unter der Abwesenheit seiner besten Freundin Joanie leidet.

Nur eine Sache hätte nicht unbedingt sein müssen. Das die Jungen, die ihn zum Opfer ihrer Demütigungen machen schwul sind, was man in einer kurzen Einstellung sieht. Auch hier bleibt es dem Zuschauer überlassen, was er dabei denkt. Es muss ja nicht immer alles erklärt werden.

Ulrike Schirm


+++++++++++++++

"THE DEAD DON'T DIE" Horrorkomödie von Jim Jarmusch (USA). Mit Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton u.a. seit 13. Juni 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Viel zu tun haben die beiden Polizisten Cliff Robertson (Bill Murray) und Ronnie Peterson (Adam Driver) in der amerikanischen Kleinstadt Centerville gewöhnlich nicht. Sie fahren mit dem Auto herum, hören sich den neuesten Klatsch an und gehen im Diner, dem sozialen Zentrum der Gemeinde, einen Kaffee trinken. Ab und zu begegnet ihnen ein rassistischer Farmer mit einem KAWA Basecap (Steve Buscemi), was so viel wie „Keep America White Again“ heißt und der seinen Hund Rumsfeld spazieren führt. Zur Abwechslung schauen sie nach dem missgelaunten Waldschrat (Tom Waits). Ab und zu dudelt im Autoradio der Song „The Dead Don't Die“. Die Tage sind lang, und dunkel wird es auch kaum. In den Nachrichten wird über das Polar-Fracking berichtet und einer bedrohlichen Erdrotation.

Doch plötzlich geschieht etwas Merkwürdiges. Die Uhren bleiben stehn Mobiltelefone geben ihren Geist auf und Tote erwachen wieder zum Leben. Für Ronnie ein klarer Fall von einer Zombie-Apokalypse, was ihn und seinen Kollegen absolut nicht aus ihrer stoischen Ruhe bringt. Schwankende, nach menschenfleischgierige Zombies treiben im Diner ihr Unwesen, unter ihnen Iggy Pop, der erst mal einen Kaffee trinkt.

Auch der Anblick der zwei toten Bedienungen, deren Eingeweide heraushängen, kommentiert Ronnie seelenruhig mit den Sätzen: „Geh da bloss nicht rein. Es ist das Schrecklichste, was ich je gesehen habe.“ Jetzt hilft nur noch, den kannibalischen Untoten, die Köpfe abzuschlagen.

Nun kommt Tilda Swinton ins Spiel. Als schottische Samurai schwingende Leichenbestatterin taucht sie wie eine weißhäutige Außerirdische auf, und säbelt mit Bravour die Köpfe der Untoten ab. Elegant rauscht sie gen Himmel wieder davon.

Beachtenswert ist, dass Jarmusch wieder sein altbewährtes Schauspielerensemble zusammengetrommelt hat. Unübersehbar nimmt er mit seiner Zombie-Apokalypse, die als Metapher für das Trumpsche Amerika dient, die derzeitigen Verhältnisse im Land aufs Korn. Er zeigt eine Welt, die von Stumpfsinn geprägt ist und in der noch nicht mal das Grauen einer Zombie-Invasion für Unruhe sorgt. Politisch in die Tiefe geht er nicht. Einige unterhaltsame Anspielungen sorgen für Momente der Heiterkeit, ansonsten bedient er ein Klischee nach dem anderen. Das wars auch schon. Wie sagt Tom Waits ganz trocken als Waldschrat, der sich von allem zurückgezogen hat: „What a fucked up world“. What a bloodless film.

Ulrike Schirm


+++++++++++++++

"BRITT-MARIE WAR HIER" Dramödie von Tuva Novotny (Schweden). Mit Pernilla August, Peter Haber, Anders Mossling u.a. seit 13. Juni 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Die 63-jährige Britt-Marie (Pernilla August) ist gefangen in einem Netz von Gewohnheiten und Routine. Schon als Kind fing sie an zu putzen, alles musste sauber und ordentlich sein. Am frühen Tod ihrer Schwester fühlt sie sich schuldig, vielleicht der Grund für ihren Ordnungswahn. Den inneren Schmerz mit einer äusseren Ordnung zu übertünchen. Auch in ihrer Ehe folgt sie diesem Schema. Eine Änderung findet statt, als ihr Mann einen Herzinfarkt erleidet und sie im Krankenhaus mit der Geliebten ihres Mannes zusammentrifft.

Nach 40 Ehejahren verlässt sie ihn. Ein Schritt, der ihr nicht leicht fällt. Auf dem Arbeitsamt vermittelt man sie in ein abgelegenes Kaff, wo sie in einem kurz vor der Schliessung stehendem Freizeitheim eine Jugendfussballmannschaft trainieren soll. Sie hasst Fussball. Schon allein deswegen, weil ihr Mann Kent sich mehr dem Fussball widmete als ihr.

Als erstes fängt sie an, das Heim zu putzen. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich den Vorurteilen, die die Jugendlichen gegen die alte Dame hegen, zu stellen. Ihr bisheriges Leben verlief ohne zwischenmenschliche Kontakte, die Sehnsucht danach, verbarg sie unter einer rauen Schale. Nun ist sie gezwungen nicht nur für sich selbst Entscheidungen zu treffen, sondern auch für andere. Langsam gewinnt sie das Vertrauen der jungen Fussballer. Man erkennt, dass es sich bei der einsamen Marie-Britt um einen warmherzigen Menschen mit einem grossen Herzen handelt.

"Britt-Marie war hier", steht am Ende auf der Glastür des Freizeitheims.

Ob ihre Veränderung eine Zukunft hat, bleibt offen. Es scheint, als hätte sie wieder nur funktioniert, kleine Schritte gewagt aber ob sich ihr Leben wirklich verändert hat, dazu fehlt dem Feel-good-Movie das nötige Drama und so bleibt der ihre Verwandlung reine Behauptung.

Unter der Regie von Tuva Novotny, hierzulande bekannt aus den Filmen „Eat Pray Love“ und „Borg/McEnroe“ entstand die Verfilmung eines Romans des schwedischen Autors Frederick Backmann. Sein Bestseller „Ein Mann namens Ove“ wurde 2015 mit großem Erfolg ebenfalls verfilmt, allerdings von Hannes Holm. Britt-Marie ist die weibliche Antwort auf Ove.

Ulrike Schirm




Anzeige