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Neue Filme im Kino, neue Filmkritiken im Mai - Ausgabe 2

Der vielerorts angekündigte, heutige Infoabend an der BAF stammt nicht von uns - stattdessen kommen von uns neue Filmrezensionen.



Eigentlich müsste bei dem von unserem Logo sich deutlich abhebenden und anders aussehenden Enblem alles klar sein. Doch um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wollen wir dennoch kurz darauf eingehen und zugleich eine Veranstaltungsempfehlung geben.

Die Bayerische Akademie für Fernsehen und Digitale Medien e.V. veranstaltet am heutigen 15. Mai 2018 um 18:00 Uhr einen Info-Abend für künftige Studierende.

Wer sich dafür interessiert, ab Oktober 2018 Journalismus & Digital Storytelling Kamera & Digital Cinematography Editing & Digital Postproduction Animation & VFX Content Marketing Management zu studieren, sollte sich nicht bei uns in Berlin melden, sondern in Bayern bei einem Info-Abend der Bayerischen Akademie für Fernsehen und Digitale Medien vorsprechen.

Die Veranstaltung findet in den Räumen der Akademie (Betastraße 5) im Mediencampus 85774 Unterföhring bei München statt. Wer zum heutigen Termin keine Zeit hat, kann auch unter Tel.: 089 / 4274320 oder per Mail an info@fernsehakademie.de einen persönlichen Termin vereinbaren.

Link: www.fernsehakademie.de

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Bei uns in Berlin geht es heute weiter mit der fast wöchentlichen Besprechung von neuen Filmen, die gerade bundesweit (also auch in Bayern) im Kino angelaufen sind. Morgen blicken wir allerdings noch einmal zurück nach Bayern, denn das DOK.fest München hat am letzten Wochenende seine Preise bekannt gegeben und die haben es in sich.



"WAS WERDEN DIE LEUTE SAGEN" Drama von Iram Haq (Deutschland, Norwegen, Schweden). Mit Maria Mozhdah, Adil Hussain, Sheeba Chaddha u.a. seit 10. Mai 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Schon am Anfang dieses Drama bekommt man ein Gespür dafür, wie sehr der Vater seine Tochter liebt. Die 15-jährige Nisha lebt mit ihrer Familie in Norwegen. Ihre Eltern sind vor Jahren aus Pakistan eingewandert. Draußen ist sie ein ganz normaler Teenager, zuhause beugt sie sich den Traditionen, in denen ihre Eltern weiterhin verhaftet sind. Als sich ihr Freund eines nachts in ihr Zimmer schleicht und sie gemeinsam Musik hören, klingelt auf einmal sein Handy. Ihr Vater stürmt herein und geht auf den verdutzten Jungen mit den Fäusten los. „Hast du jemals darüber nachgedacht, was für Konsequenzen dein Verhalten für uns hat? Es geht um unsere Ehre“ brüllt er. Er fordert seine Tochter auf, den Jungen zu heiraten. Nisha (großartig Maria Mozhdah) weigert sich. Kurzerhand bringt er sie nach Pakistan. Nisha ist verzweifelt und stürzt sich aus dem Auto.

„Wenn du das noch einmal tust, bring ich dich um“ droht er. Er lässt sie bei seinen Verwandten unter Tränen zurück. „Ich will doch nur dein Bestes. Du bedeutest mir alles“, stammelt er, bevor er die Rückreise antritt. Völlig aufgelöst rennt das Mädchen dem Auto hinterher. Wie versteinert, nimmt sie die fremde Umgebung wahr. Als ihre Tante sie im Internetcafé erwischt, sperrt sie sie ein. Der Onkel verbrennt ihren Pass. „Ab jetzt bist du unsere Tochter. Man sagt, du bist hier, weil du den „Kulfi“ eines Mannes geknutscht hast“. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich ihrer Umgebung anzupassen. Stück für Stück erkundet sie das Land und die Kultur ihrer Familie.

Doch dann geschieht etwas derart Ungeheuerliches, dass der Vater sie wieder zurück nach Norwegen holt. Immer wieder fallen Sätze wie „Du hast mein Leben zerstört. Nirgendwo können wir uns mehr sehen lassen. Durch dich ist unser Leben zur Hölle geworden“. Die Eltern zwingen sie, die Schule zu wechseln. Auch die Mutter ist nicht zimperlich mit ihren Worten: “Du machst uns nur Schande. Ich wünschte, du wärst tot geboren“.

Mit ganz großem Einfühlungsvermögen spielt die achtzehnjährige Maria Mozhdah ihre Rolle. Es ist ihr Leinwanddebüt. Der indische Schauspieler Adil Hussain, bekannt aus dem Film "Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger", ist großartig in seiner Rolle des Vaters, einer tragischen Figur, die gefangen ist in ihrem Wertesystem, was die Familien seit Jahrzehnten von einer Generation zur nächsten mehr oder weniger „vererben“.

Regisseurin Iram Haq hat viele Ereignisse aus ihrem eigenen Leben in dieser emotionalen Geschichte verarbeitet. Auch sie fand es in ihrer Jugend total unfair, nicht das tun zu dürfen , was allen anderen erlaubt war. Auch sie wuchs unter norwegischen Freunden und Freundinnen auf. Als sie 14 war, wurde auch sie von ihren Eltern entführt und musste bei Verwandten in Pakistan leben.

Es ist ihr auf bewundernswerte Weise gelungen, das Mädchen Nisha nicht nur als wehrloses Opfer zu zeigen und die Eltern nicht als bösartige Täter darzustellen. Sie bleibt während des Films ganz nah an Nisha dran und zeigt wie schwierig es ist, die Kluft zwischen den kulturellen Unterschieden auf einen für alle beteiligten friedfertigen Nenner zu bringen und zu lösen. Das gelingt ihr, ohne zu moralisieren oder gar mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen. Herausgekommen ist ein Film, der sicherlich für brisanten Gesprächsstoff sorgt.

Ulrike Schirm


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Bei dem oben rezensierten Werk handelt es sich um einen recht zahmen Spielfilm. Dass es in anderen Ländern beim Verstoss gegen die moralischen Sitten auch ziemlich gewalttätig zugehen kann, zeigt nachfolgend Cinema for Peace auf, anlässlich der Vorstellung eines iranischen Filmes bei den Filmfestspielen von Cannes.



Director Jafar Panahi Not Allowed To Cannes, Women Beaten In The Streets: Is Trump Right To Mistrust Iran?


Als der iranische Regisseur Asghar Farhadi mit seinem neuen Werk "Everyone Knows" das Festival de Cannes am 8. Mai 2018 eröffnete, gab er in seinem Statement bekannt, dass sein Kollege, der angesehene iranische Regisseur Jafar Panahi, nicht aus dem Iran ausreisen durfte, um seinen Wettbewerbsfilm “Three Faces” persönlich vorzustellen.

Wenn der Iran wünscht, dass man dem Land vertraut, dann muss es zuerst die grundlegendsten menschenrechtlichen Prinzipien einhalten. Als Beispiel dazu zitiert Cinema for Peace ein YouTube Video, auf dem eine Frau von der "Moral Polizei" geschlagen wird, weil sie das islamische Kopftuch nicht ordentlich trug.


Hier der Clip:



Link: www.cinemaforpeace.de

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"DER BUCHLADEN DER FLORENCE GREEN" Drama von Isabel Coixet (Spanien, Großbritannien, Deutschland). Mit Emily Mortimer, Bill Nighy, Patricia Clarkson u.a. seit 10. Mai 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Noch ahnt die junge Witwe Florence Green (Emily Mortimer) nicht, auf welch hinterhältige Art ihr Steine, bei der Eröffnung einer Buchhandlung in dem kleinen Ort Hardborough, inmitten der windgepeitschten Seenlandschaft in Ostengland, in den Weg gelegt werden. Sie erfüllt sich einen langgehegten Traum. „Für sie ist ein Buch wie ein grosses, unbekanntes Haus, dass man im Lauf der Lektüre durchwandert und indem man sich ein neues Zuhause schafft“.

Es gibt kein Theater und kein Kino. Sich mit Literatur zu beschäftigen, kommt den Einwohnern, die teilweise hart arbeiten, absolut nicht in den Sinn. Obwohl man strikt dagegen ist, wird ihr der Kredit für den Kauf des sogenannten „Old House“ bewilligt. Es ist ein altes Gebäude voller Vergangenheit und Charakter, genau das richtige, um sich ihren großen Traum zu erfüllen. Neugierig beäugen die Einwohner die Renovierungsarbeiten und die liebevolle Einrichtung des Buchladens. Es sind die Fünfziger Jahre, eine Zeit, in der die Arbeiter dem Bücherlesen mit Argwohn gegenüberstehen und die Aristokratie noch immer bestimmt, was lesenswert ist. Besonders die Aristokratin des Dorfes, eine alteingesessene graue Eminenz Violet Gamart (Patricia Clarkson) befürchtet einen Kontrollverlust. Sie hat ganz andere Pläne mit dem „Old House“. Sie will den Laden in ein Kulturzentrum verwandeln.

Der Laden läuft besser als gedacht. Trotz aller Widerstände bringt Florence den Bewohnern so polarisierende Romane wie Nabokovs „Lolita“ oder Bradburys „Fahrenheit 451“ näher.

Einen Verbündeten findet sie in dem zurückgezogen lebenden Mr. Brundish, einem Literaturliebhaber, der Biografien nur dann liest, wenn sie von guten Menschen handeln und Romane, wenn sie von Ganoven erzählen.

Es ist die Liebe zur Literatur, die diesen Film trägt und die durchweg fantastischen Schauspieler, besonders Bill Nighy als Brundish, ein verbitterter älterer Herr, der etwas unbeholfen seine aufkeimenden Gefühle für die junge Witwe zum Ausdruck bringt. Es ist berührend, wie zwei einsame Seelen behutsam zueinanderfinden.

Die spanische Regisseurin Isabel Coixet hat den gleichnamigen Roman mit starken Frauen auf die Leinwand gebracht. Es geht um Verlust, Träume, Mut und auch Trauer, verpackt in großartige Landschaftsaufnahmen.

Ziemlich brav und gediegen inszeniert.

Ulrike Schirm


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"ISLE OF DOGS - Ataris Reise" Animationsabenteuer von Wes Anderson (Deutschland, USA). Mit Bryan Cranston, Frances McDormand, Edward Norton u.a. seit 10. Mai 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Ja, es stimmt. Wenn man „Isle of Dogs“ etwas nachlässig ausspricht, dann klingt es wie „I love dogs“. Und man liebt sie diese Hundemeute, die von Kinomagier Wes Anderson in seinem neuen Stop-Motion-Film auf einer Müll-Deponie-Insel ausgesetzt wurde und ums Überleben kämpft.

Der Animationsfilm spielt in der nahen Zukunft in der japanischen Großstadt Megasaki. Da eine mysteriöse Hundegrippe grassiert, beschließt der korrupte Bürgermeister und Hundehasser Kobayashi, alle Hunde auf die nahegelegene Insel „Trash Island“ zu verfrachten. In Müllresten suchen die sprechenden Kläffer mühselig nach Nahrung aber ihre Würde lassen sie sich, trotz aller miesen Umstände nicht nehmen. Der Begriff „Underdogs“ passt hier, wie die Faust aufs Auge.

Als der 12-jährige Atari, Adoptivsohn des Bürgermeisters nach 6 Jahren mit einem geklauten Flugzeug auf der Insel landet, findet er eine Meute ausgehungerter und abgemagerte Hunde vor. Der Junge ist auf der Suche nach seinem geliebten Bodyguard-Hund. Die ausgemergelten, bedauernswerten vierbeinigen Kreaturen helfen ihm dabei. Mit großartigem Gespür für die unliebsamen Verhältnisse auf dieser Welt, lässt Anderson die Hunde über ihr Outlaw-Dasein philosophieren und das macht er mit klugem Humor und treffsicheren Anspielungen auf den fortschreitenden Populismus und Rassismus, der sich wie eine üble Geschwulst breit und breiter macht. In Megasaki sorgt eine amerikanische Austauschstudentin für Unruhe, indem sie gegen die korrupten Machenschaften der Stadtoberen zum Widerstand aufruft.

Ausnahmsweise plädiere ich dafür, sich den Film unbedingt in der Originalsprache anzuschauen. Jeder dieser verlausten Hunde ist ein Charakter für sich und wird von Stars wie Bill Murray, Jeff Goldblum, Bryan Cranston, Haryey Keitel, Tilda Swinton, Scarlett Johannson, Edward Norton und Greta Gerwig gesprochen. So mancher kluge Witz verliert im Deutschen leider seinen Esprit.

Mit „Isle of Dogs“ wurde die diesjährige Berlinale eröffnet. Das tierische Meisterwerk der Trickfilmkunst ging bei der Preisvergabe leider leer aus.

Ulrike Schirm





















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