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Passend zur Berlinale-Retro - Den Sternen so nah...

Bundesweiter Kinostart eines Weltraumabenteuers der besonderen Art.



Die diesjährige 67. Berlinale (09.-19.02.2017) widmet sich in ihrer Retrospektive dem Sci-Fi-Film, wie wir in einem weiteren Artikel heute bereits schrieben.

So verwundert es nicht, dass genau zu Beginn der Internationalen Filmfestspiele mit "Den Sternen so nah" unter der Regie von Peter Chelsom ein weiteres Science-Fiction-Abenteuer in unseren Kinos angekündigt wird, das offensichtlich von der Aufmerksamkeit um die Weltraumthematik in den Festivalkinos profitieren möchte. Ein riesengroßes Plakat im Berlinale-Festivalkino CinemaxX am Potsdamer Platz suggeriert dies jedenfalls. Dabei kann der Film dort wegen der zahlreichen Sektionsprogramme derzeit gar nicht gezeigt werden, sondern frühesten erst im Anschluss an das Festival. Aber es gibt in Berlin - und natürlich im Bundesgebiet - noch andere Filmtheater, die sich glücklich schätzen, einen US-Blockbuster spielen zu können, der erst am 3. Februar 2017 in den USA angelaufen ist.

Dass nach 40 Jahren Kinogeschichte auch die George Lucas Star-Wars-Saga nicht nur immer noch ein Millionen-Publikum in den Bann zieht, sondern sogar weitere völlig neu geschriebene Fortsetzungen geplant sind, lässt erahnen, welchen Sog die Flucht in ferne Kino-Welten auf die Zuschauer ausübt. Mit erst kürzlich gestarteten und von uns auch am 10. Januar 2017 besprochenen Filmen wie "Arrival" und "Passenger", begibt man sich aber weder auf den Pfad des Fantasy-Kitsch noch in düstere Apokalypsen, sondern versucht mit neuen Sci-Fi-Werken realitätsnäher zu werden, was ebenso vom Zuschauer mit stattlichen Besucherzahlen goutiert wird.

Auf diesem Level liegt auch "The SPACE between us - Den Sternen so nah", der eine durchaus realistische und in wenigen Jahrzehnten mögliche bemannte Reise zum Mars beschreibt. Die Story darum ist natürlich fiktional und schreit geradezu nach einer Fortsetzung, denn Sequels sind derzeit in Mode.

Wir freuen uns, dass wir für eine ausführliche Rezension diesmal Elisabeth Nagy gewinnen konnten. Doch zunächst hier der Trailer:



"The SPACE between us - Den Sternen so nah" von Peter Chelsom:
seit 09.02.2017 in den deutschen Kinos.

Filmkritik:

Er wurde auf dem Mars geboren. Mehr müssen die ZuschauerInnen fast gar nicht wissen. Das Drehbuchteam (Allan Loeb, Stewart Schill und Lewis Loeb) formt daraus eine Teenie-Romanze mit Science Fiction-Einschlag, ein High-Concept-Stoff, der all die richtigen Knöpfe drückt, der auf sein Zielpublikum zugeschnitten ist und dabei leider wenig Raum für Metaebenen lässt.

Der rote Planet, er füllt die Leinwand, erst wenn die Kamera in die Totale zurückgleitet, sehen wir Nathaniel Shepherd (Gary Oldman), der eine Konferenz mit einer Rede eröffnet. Er beginnt mit: “I want to go to Mars”. Es ist ein Kniff des Drehbuchs oder doch Ironie, dass er selbst nicht in den Weltraum fliegen kann, seine Gesundheit lässt es nicht zu. Der Film nimmt einige Parameter ernst, nicht zufällig ist sein Name Shepherd. Eine Siedlung soll auf dem Mars errichtet werden, East Texas soll sie heißen. Die erste Mannschaft fliegt auch schon los. Dass die Kolonie namentlich dem “Osten” zugewandt ist, mag ebenso kein Zufall sein, sind doch die Chinesen nicht nur mit von der Partie bei der Kolonisation, sondern haben auch tatkräftig in die Filmproduktion investiert.

Nur eine Frau, Sarah Elliot, ist auf der 4-Jahres-Mission mit dabei. Sie ist die Leiterin des Projekts. Zu dem Zeitpunkt weiß keiner, dass sie schwanger ist. So ist das mit Frauen in Führungspositionen. Man hätte wohl besser daran getan, die Schwangerschaft als Absicht, als Experiment zu deklarieren. Den Autoren geht es jedoch um etwas anderes, um etwas Persönlicheres, um eine Bindung über die planetaren Atmosphären hinweg. Die Entbindung, so rechnet man aus, würde kurz nach der Landung erfolgen. Nur ein Haarspalter würde sich jetzt Gedanken machen, ob ein schwangerer Bauch in einen Raumanzug passt.

Das Schicksal und das Drehbuch wollen es, dass Sarah Elliot, vielleicht ist nicht einmal der Vorname zufällig gewählt, bei der Geburt stirbt. Daheim ist es nun Nathaniel Shepherd, Initiator des Projekts und Sarah Elliots Mentor, der vor Sorgen gram vor dem Monitor sitzt. Der Zuschauer wird unmittelbar in diese Zwickmühle eingebunden: Vertuschen oder an die Öffentlichkeit gehen? Das Kind, in der Schwerelosigkeit entwickelt und ohne den Schutz der Muttermilch, kann kaum auf die Erde zurück, denn seine Knochenstruktur und die Holzgefäße haben sich ganz anders in der fremden Atmosphäre entwickelt. So viel Science muss sein, was nicht heißt, dass es die Forschung nicht irgendwann schafft, damit umzugehen.

Die Firma entscheidet, das Kind wird zur Geheimakte, damit Fördergelder weiter fließen und das Projekt nicht auseinanderbricht. Forschung oder das Leben eines einzelnen? Das Leben zukünftiger Generationen oder das Vermächtnis einer Frau? Wie viel ist ein Leben wert? Wie wichtig ist die Zukunft? Das sind die Fragen, die Science Fiction stellen soll und diese gar erst auszeichnet. Zwar wird die Frage in den Raum gestellt, aber nicht wirklich beantwortet. Die Handlung nimmt einen anderen Kurs ein und Shepherd verlässt das Team, lässt alles hinter sich und kehrt 16 Jahre nicht zurück.

Gardner (Asa Butterfield, er wirkt so harmlos und ein wenig nerdig, ist also die ideale Besetzung) ist nun 16 Jahre alt, und ein echter Teenager. Die Pubertät erspart man dem Zuschauer, es ist die erste Liebe, die die Ereignisse in Gang setzt. Der Junge wurde, er selbst betont es immer wieder: “raised by scientists - in a bubble”, er wurde von Wissenschaftlern in einer Blase erzogen. Er weiß alles über Computer und Maschinen, er weiß nichts über alles andere. Es mutet seltsam an, dass er nur ein altes Benimmvideo aus den 50ern als Richtlinie heranziehen kann. Es wirkt seltsam, dass er das Internet zum Chatten verwenden kann, aber die Popkultur und alles was das Internet hergibt, nicht einmal anfasst. Da kann man von Glück sprechen, oder von Kalkül, dass ein deutscher Wissenschaftler eine Kopie von Wim Wenders “Der Himmel über Berlin” auf der Station zurückgelassen hat. Auch das ist dramaturgisch kein Zufall.

Ist nun “The Space Between Us” mehr ein “Himmel über Berlin” (1987) als ein “Starman” (John Carpenter, 1984), an den der Young-Adult-Stoff auch erinnert? Ist es eine Mischung, glasklar komponiert aus den Konzepten von Herkunft, Liebe und das große Ganze? Über weite Strecken fühlt sich “Den Sternen so nah”, so der deutsche Titel, kalt kalkuliert an, doch auch diese Stoffe können ein junges Publikum rühren und sich nachhaltig verankern.

Gardner chattet immer wieder heimlich mit Tulsa (Britt Robertson), die in Tulsa zur Schule geht und im Matheunterricht an einen Computer kommt, der zwar ganz futuristisch ein durchsichtiges Display und einen Monitor hat, aber immer noch zugeklappt werden muss. Tulsa, und ihr wirklicher Name spielt nie eine Rolle, genauso wie zahlreiche andere Figuren nicht mehr als durch ihren Berufsstand und ihre Statistenrolle benannt werden, ist praktischer weise, auch hier wieder Kalkül, Waise. Damit haben die beiden Teenager etwas gemeinsam. Sie verabschiedet sich auch immer mit “see you in the funny papers”, ist also auch nicht ganz der Modernität verfallen, ist es doch ein Spruch, den man hauptsächlich in den Filmen der 20er und 30er vernimmt. Er spielt ihr vor, dass er an der Glasknochenkrankheit leide und darum sein Penthouse in New York nie verlassen dürfe. Alles ändert sich, als er doch eine Möglichkeit bekommt zur Erde zurückzukehren. Immerhin kann man einen Teenager nicht ewig zurückhalten. Die Zeit ist einfach reif, sagen die Drehbuchregeln.

Es ist schon charmant, was sich der Junge einfallen lässt, um über die Runden zu kommen, gleichzeitig ist er absolut naiv und blauäugig, was seine reellen Chancen sind. Hier ist er ganz der Trotzkopf, der etwas will, während die Erwachsenen ihm hinterherrennen müssen und sei es durch halb Amerika, um ihn vor sich selbst zu retten. Natürlich werden herzerwärmende Szenen eingeflochten, wie die, in der er sie zum ersten Mal trifft. Trotz Klischee lacht man, als er sein Wissen in einer Unterrichtsstunde in ihrer Schule einbringt, in die er sich eingeschlichen hat. Hat man noch so viel Wert auf die Machbarkeit verwendet, ihn Operationen unterzogen, um glaubhaft zu machen, dass er doch auf der Erde leben könnte, so hat der Stoff die Immunisierung dennoch einfach beiseite geschoben.

Wenn man nun einem jungen Menschen die Aussicht auf die Liebe gibt, gibt es noch einen Punkt, mit dem er sich auseinandersetzt, das ist die Herkunft. Gardner kümmert es, er will wissen wer sein Vater ist. Auch wenn der Zuschauer es längst ahnt und an der Überzeugung trotzdem verharrt, wenn Fährten ausgelegt werden, die woanders hin deuten. Was wäre da möglich gewesen, fragt man sich, wenn die Autoren hier mehr gewagt hätten. Immerhin hat Peter Chelsom die Regie übernommen, der einst mit “Funny Bones” und, zugegeben auch mit “Hear My Song” auf der Bildfläche seine Marke setzte, nur um dann mit “Serendipity” und “Hanna Montana” zweitklassige Konzeptfilme zu drehen. Nachdem man doch einiges an Mühe investierte um die eigentlich sympathischen Figuren zu etablieren, und dazu gehört Kendra, gespielt von Carla Gugino, als die auf die Raumstation gesandte Ziehmutter, bleibt der zweite Akt auch hinter den Möglichkeiten zurück. Es folgt schlicht ein Chase-Movie quer über den Kontinent. Gedreht wurden die Mars-Szenen in New Mexiko, und Tulsa ist jetzt auch kein Nabel der Welt. Die Kids, Gardner und Tulsa raufen sich on the Road nach Kalifornien zusammen, denn dort, so haben sie herausgefunden, haben sich seine Eltern einst das Ja-Wort gegeben. Zu dem Zeitpunkt wird auch dem Publikum klar, dass es ein Wettlauf mit der Zeit ist. Mit der Zeit, die dem übergroßen Herzen des Jungen bleibt, der dann sehr wohl zurück auf seinen Planeten muss. Aber damit ist die Geschichte natürlich noch nicht zu Ende.

(Elisabeth Nagy)

Der sympathische inzwischen 19-jährige Hauptdarsteller, Asa Maxwell Thornton Farr Butterfield, der im Mars-Movie nur »Gardner« genannt wird, ist übrigens kein Unbekannter im Filmgeschäft. Im Alter von zehn Jahren spielte er u.a. in "Son of Rambow" (2007) mit. Danach im Holocaust Drama "The Boy in the Striped Pyjamas" (2008) für das er vom London Film Critics Circle als Bester Young British Performer des Jahres ausgezeichnet wurde. Für seine Hauptrolle als Hugo Cabret in Martin Scorsese's Fantasy Film "Hugo" (2011) wurde er mit dem Young Hollywood Award geehrt sowie vom Critics' Choice Movie Award als Best Young Performer ausgezeichnet. Zudem wurde ihm der Empire Award als Best Male Newcomer überreicht.

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