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Drama, Komödie, Western und Musical in der Kritik

Neue Filme bringen Hoffnung auf ein wenig Bewegung in den Arthouse Charts.



Viel hat sich im neuen Jahr in den Arthouse-Kinos nicht verändert – genauer gesagt gar nichts bis zum Platz vier in den aktuellen Charts. So behauptete „Paula – Mein Leben soll ein Fest sein“ die Spitzenposition, während „Nocturnal Animals“, „Die Überglücklichen“ sowie „Love & Friendship“ die Ränge zwei bis vier bestätigten. Auf die fünfte Position stieg „Toni Erdmann“ noch einmal von Platz sieben. Die dann doch nicht erfüllte Hoffnung auf einen Golden Globe hatte ihn wohl beflügelt.

Übrigens zu den erfolgreichsten Kinofilmen des vergangenen Jahres gehörte Disneys "ZOOMANIA" mit 3,82 Millionen Besuchern in Deutschland. Bei der Preisverleihung der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) wurde "ZOOMANIA" als „Bester Animationsfilm“ mit einem Golden Globe ausgezeichnet. "ZOOMANIA" ist mittlerweile auf Blu-ray, DVD und digital auf fast allen VoD-Plattformen erhältlich.

Mit neuen Filmen die gerade gestartet sind oder nächste Woche starten, könnte Bewegung in die Arthouse-Charts gelangen. Dazu gehört "DIAMOND ISLAND", das Spielfilmdebüt des französisch-kambodschanischen Regisseurs Davy Chou, das beim letztjährigen Filmfestival de Cannes in der Reihe »Semaine de la Critique« lief und mit dem SACD Preis (Preis der Société des Auteurs et Compositeurs Dramatiques) ausgezeichnet wurde.

DIAMOND ISLAND von Davy Chou: ab 19. Januar 2017 im Kino.

Der Film "DIAMOND ISLAND" versucht anhand der Geschichte des jungen Bora einen erhellenden und genauen Blick auf das heutige Kambodscha zu werfen - ein Land im Umbruch. Hier der Trailer:



Zum Inhalt:
Der 18-jährige Bora verlässt sein Dorf, um auf der Baustelle von Koh Pich (Diamond Island), einer Insel vor Phnom Penh, zu arbeiten. Diamond Island ist ein luxuriöses Neubauprojekt für die, die es sich leisten können: der kambodschanische Traum von Wachstum und Modernität. Hier trifft er seinen älteren, charismatischen Bruder Solei wieder, den er fünf Jahre lang nicht gesehen hat. Durch ihn erhält Bora Zutritt zum schönen Leben rund um die Hauptstadt, lernt Jugendliche der urbanen Mittelschicht kennen und erlebt aufregende Nächte. Eng an den Figuren entlang entwirft Regisseur Davy Chou das Mosaik eines Landes im Wandel – und das einer Generation, die lernen muss, sich neu zu verorten in einer unberechenbaren, veränderten Umgebung.

Um es vorwegzunehmen. Der Film fängt interessant an. Die Kamera folgt einer jungen Motorradgang vorbei an Neubauten zurück zu Slums und Straßenstrich. Doch dann verliert der Film alsbald an Spannung, als er versucht laut und dynamisch zu werden. Irgendwann schweift die Kamera in Vergnügungsparks umher und versucht mit endlosen Lichtspielereien farbenfrohe Glückseligkeit auszudrücken, während sich in den Gesichtern der Protagonisten ganz das Gegenteil widerspiegelt. Wir hatten gehofft tiefer in die menschliche Psyche ferner Länder blicken zu können. Doch statt dessen wird uns nur banales geboten. Jugendliche, die mit Drogen dealen, um wohlhabend zu werden, haben wir schon oft genug in anderen Werken gesehen. Somit verschafft uns der Film keine wirklich neuen Erkenntnisse und verliert sich in eine recht belanglose Geschichte zweier Brüder ohne wirklich in die Tiefe zu gehen.

W.F.


PLÖTZLICH PAPA von Hugo Gélin: seit 5. Januar 2017 im Kino.

Der dunkelhäutige Darsteller Omar Sy machte im Jahre 2012 aus der französischen Komödie "Ziemlich beste Freunde" einen Publikumshit. Mit Plötzlich Papa soll das Erfolgsrezept - sich sozialen Themen komödiantisch zu nähern - in anderer Konstellation wiederholt werden. Ob das wirklich gelingt durchleuchtet Ulrike Schirm in ihrer Filmkritik. Hier der Trailer.



Omar Sy ('Ziemlich Beste Freunde') versprüht wieder seinen liebenswerten Charme. In Südfrankreich schippert er hübsche Touristinnen auf einem Partyboot über`s Mittelmeer. Und da er absolut kein Kostverächter ist, häufen sich jede Menge glamouröse Abenteuer. Sein Hallodri-Leben ändert sich schlagartig, als Sam Besuch von einer jungen Dame bekommt, die ihm ein dunkelhäutiges Baby mit den Worten, dass es sein Kind sei in den Arm legt, sich zu dem wartenden Taxi begibt und verschwindet. Sein Schock sitzt tief. Adieu Südfrankreich. Sam macht sich auf die Suche nach der Mutter und landet samt Baby in London. Die Mutter ist nirgends zu finden. Sam hat Glück und arbeitet als Stuntman. Mit der großzügigen Hilfe seines Produzenten Bernie zieht er die kleine Gloria alleine groß. Das Kind entwickelt sich prächtig, denn Sam wird zum „Besten Vater der Welt“. Doch als nach Jahren plötzlich die verschollene Mutter auftaucht, wird die Vater-Tochter-Idylle empfindlich gestört. Kristin (Clémence Poésy) will ihr Kind nach N.Y. mitnehmen. Ein herber Schlag für Sam. Nun wandelt sich die köstlich spritzige Komödie in eine Dramödie. Schluss mit den unterhaltsamen Slapstickeinlagen hin zu einem Familiendrama, was trotz einiger Drehbuchschwächen, dennoch berührt. Großartig Filmkind Gloria Colston in ihrer ersten Hauptrolle. Die Kleine besticht durch Charme und Talent und stiehlt dem Herrn Papa beinah die Show. Das Vater-Tochter-Gespann macht den Film absolut sehenswert.

Ulrike Schirm


HELL OR HIGH WATER von David Mackenzie: seit 12. Januar 2017 im Kino.

Im US-Bundesstaat Texas, der Inbegriff des Wilden Westens, wird der Besitz von Waffen mehr als anderswo auf der Welt als Grundrecht angesehen. Seit 2016 dürfen dort sogar Schusswaffen offen getragen werden und damit ist Texas so etwas wie ein natürlicher Schauplatz für einen Gegenwartswestern wie „Hell Or High Water“, den der Indie-Regisseur David Mackenzie 2016 bei den Filmfestspielen in Cannes präsentierte. Hier der Trailer:



Ein Wunder ist geschehen. Es startet ein Film, an dem ich absolut keinerlei Kritikpunkte finde. Die Darsteller sind bis in die kleinste Nebenrolle bestens besetzt. Die Geschichte mit geschliffenen Dialogen verfeinert, die wehmütigen Songs von Nick Cave verstärken die Tristesse der beeindruckenden Bilder des Kameramanns Giles Nuttgens.

Ein Texas Ranger, der kurz vor der Pensionierung steht, jagt mit seinem jüngeren Kollegen zwei Bankräuber, die in texanischen, zur Trostlosigkeit verkommenen „Hicktowns“ Banken überfallen. Sie rächen sich an der maßlosen Gier der Geldinstitute, die mit faulen Krediten und der Immobilienblase, die kleinen Leute unschuldig ins Elend getrieben haben. Die Räuber, zwei Brüder, der eine kommt aus dem Knast (Ben Foster) und der andere (Chris Pine) hat die Mutter bis zu ihrem Tod gepflegt. Ranger Marcus Hamilton (Jeff Bridges) arbeitet nach den gängigen Regeln eines altmodischen Western, indem er sich entspannt auf eine Bank vor einem Saloon setzt und das gegenüberliegende Bankgebäude stundenlang beobachtet. Statt der üblichen Pferde, benutzen die Täter Autos, mit denen sie durch beklemmend anmutende Geisterorte fahren, um ihren nächsten Coup zu begehen. Das urbane Leben ist verschwunden. Nach und Nach erfährt man, was die Räuber wirklich planen. Reizen sollte man sie nicht, denn wie wir alle wissen, die Knarre sitzt in Texas ziemlich locker. Die drei Hauptdarsteller meistern ihre Rollen derartig gut, dass es einem schwer fällt zu entscheiden, auf wessen Seite man sich schlägt. Mir fällt der Satz von Bertold Brecht ein: "Was ist schon ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank". Das kann jeder Zuschauer für sich entscheiden.

Ulrike Schirm


LA LA LAND von Damien Chazelle: seit 12. Januar 2017 im Kino.

Musicals gelten heutzutage schon fast als antiquiert. Dennoch begeisterte "La La Land" im Cinemascope-Format die Jury der Golden Globes mit insgesamt sieben Auszeichnungen durch seine Anleihen an berühmte Tanzfilme wie "Singing in the Rain" (1952) oder "West Side Story" (1961). Seit "Cabaret" (1972), "Fame" (1980) und "Moulin Rouge" (2001) hat man so etwas nicht mehr auf der Leinwand gesehen. Hier der Trailer:



Fünf Jahre nach „Crazy, Stupid, Love“ stehen Emma Stone und Ryan Gosling wieder gemeinsam vor der Kamera und die Chemie stimmt. In dem bezaubernden Musical, angelehnt an frühere Tanzfilme, erlebt der Zuschauer die Entwicklung einer magischen Liebesgeschichte in der Kulisse eines verklärt romantischem Los Angeles. Regisseur Damien Chazelle ('Whiplash') öffnet allen, die noch zu träumen wagen, in seiner bitter-süßen Romanze zwischen einer Kellnerin und einem Pianisten, die Augen für seine ganz spezielle Liebeserklärung an die „Stadt der Engel“. Schon lange sah man kein Paar mehr, was sich in harmonischen Tanzschritten unter einem märchenhaften Sternenhimmel näher und näher kommt. Eine Hommage an Hollywoods goldene Ära eines Fred Astaire und Ginger Rogers und Gene Kelly. Auch wenn sie die Perfektion der großen Vorbilder nicht ganz erreichen, mancher Ton daneben geht, es macht sie umso liebenswerter. Die beiden, Mia und Sebastian begegnen sich zum ersten Mal auf einem verstopften Freeway, genervt von dem lauten Gehupe. Es öffnen sich die Autotüren und bunt gekleidete Menschen fangen an zu tanzen. Die Kellnerin Mia, die alles dafür tut Schauspielerin zu werden und der Jazzpianist Sebastian ahnen noch nicht, dass das Schicksal sie zusammenführt und sie gemeinsam ihre Träume erfüllen werden, die sie ohneeinander nicht geschafft hätten. Beide haben große Pläne. Ob und wie sie sich erfüllen, das soll hier nicht verraten werden. Vorsichtshalber sollte man ein paar Taschentücher dabei haben.

Ulrike Schirm

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