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Neuer Gesetzentwurf zum Urheberrecht verabschiedet

Bundestag stärkt Verhandlungsposition von Urhebern und Künstlern.



Bei dem seit Langem schwelenden Streit um die Urheberrechte gab es Mitte der Woche Klarstellung. Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 15. Dezember 2016 den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung verabschiedet.

Mit dem Gesetz sollen freiberufliche Künstler und Autoren, die bei Honorarverhandlungen oft am kürzeren Hebel sitzen, in ihrer Rechtsstellung gegenüber den Verwertern ihrer Werke wie Verlegern und Filmproduzenten gestärkt werden. Ein Instrument sind veränderte Vorschriften für gemeinsame Vergütungsregeln, wie sie etwa zwischen Verbänden der Filmschaffenden und der Filmproduzenten getroffen werden. Außerdem wurde ein gesetzlicher Auskunftsanspruch über die erfolgte Nutzung geschaffen. Wenn ein Urheber ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt hat, soll er sein Werk nach zehn Jahren anderweitig verwerten können.

Keine Mehrheit fand bei Enthaltung der Grünen ein Entschließungsantrag der Linken, wonach ein neues Gesetz sicherstellen sollte, dass eine Vergütung nur dann als angemessen gilt, wenn jede Nutzung eines Werkes gesondert vergütet wird. Zudem sollten zwischen Urheberverbänden und Verwertern ausgehandelte Vergütungsregeln innerhalb eines Jahres zustande kommen müssen und für alle betreffenden Unternehmen verbindlich sein.

Bei Enthaltung der Linken lehnte der Bundestag einen Antrag der Grünen ab, in dem eine Reform des Urhebervertragsrechts gefordert wurde. Um die Verhandlungsposition der Urheber zu stärken, sollten diese erweiterte Rechte erhalten, auch sollte der Anreiz zum Abschluss gemeinsamer Vergütungsregeln erhöht werden.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein weiterer Antrag der Grünen, in dem eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke gefordert wird. Diese würde es Lehrenden, Lernenden und Forschenden erleichtern, publizierte Werke für den nicht gewerblichen, wissenschaftlichen Gebrauch genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen zu nutzen. Die Linke stimmte mit den Grünen für den Antrag.

Im Streit um die Urheber- und Vergütungsrechte mit der Verwertungsgesellschaft VG-Wort an den Hochschulen ist vorerst Entwarnung angesagt. Studenten dürfen digitale Lehrtexte erst einmal weiter benutzen. Bis Herbst 2017 soll eine endgültige Lösung für die Universitäten gefunden werden. Solange gilt die pauschale Abgeltung der Ansprüche der VG Wort weiter.



Regieverband kritisiert neues Urhebervertragsrecht.
Das neue Urhebervertragsrecht wurde nun doch überraschend zügig verabschiedet - und Reaktionen der Kreativen ließen nicht lange auf sich warten. Der Bundesverband Regie (BVR) jedenfalls sieht in dem nun beschlossenen Gesetzestext "keinen großen Wurf". In einer von Geschäftsführer Jürgen Kasten unterzeichneten Erklärung heißt es wörtlich:

"Seit Jahrzehnten ist das Ungleichgewicht in den vertraglichen Beziehungen zwischen dem einzelnen, existenziell auf die Beauftragung angewiesenen Urheber und Werkherstellern und Verwertern bekannt. Das Urhebervertragsrecht soll diese Disparität durch kollektivvertragliche Regelungen abfedern. Gelungen ist das bisher nicht. Die meisten Ergebnisse unabhängiger rechtswissenschaftlicher Analysen perlen am Willen des Gesetzgebers genauso ab wie die parlamentarischer Enquetekommissionen. So erging es bereits 2002 den Grundbausteinen des Urhebervertragsrecht, 2008 den Erweiterungen des so genannten 2. Korbs, und so ist es auch der aktuellen Novellierung widerfahren, die gestern spätabends vom Bundestag beschlossen wurde.

Geblieben sind einige wohl bewusst gelassene Unschärfen abstrakter Rechtsbegriffe und Umgehungsmöglichkeiten. Dies betrifft vor allem den zentralen Ansatz: die Aufstellung von Gemeinsamen Vergütungsregeln durch Urheber- und Verwerterverbänden, die rechtspraktisch definieren, was angemessen ist. Obwohl die SPD klar erkannt hatte, dass dazu am Ende ein verbindliches Verfahren notwendig ist, hat sie es wider besseren Wissens nicht durchgesetzt. Ein finales Schlichtungsergebnis bleibt unverbindlich, weil die CDU verwerterloyal mauerte. Stattdessen wurde für so genannte verbundene Werke (also etwa Filme oder Anthologien) für Hersteller und Großverwerter die Möglichkeit eröffnet, in einem Schlichtungsverfahren weitere Urheberverbände hinzuziehen können und damit ein straffes Verfahren zu verwässern und Vergütungen zu deckeln. Selbstverständlich gilt diese Gängelung, die verfassungsrechtlich bedenklich erscheint, umgekehrt nicht.

Ob eine angemessene Vergütung für Urheber dadurch erzielt wird, dass formal neben der Dauer auch die unbestimmten Rechtsbegriffe Ausmaß und Häufigkeit der Nutzungen zu berücksichtigen sind, erscheint angesichts oft pauschalisierter Formularverträge eher praxisfern. Die seit 50 Jahren vom BGH bemühte Formel zur Mehrfachnutzung, der Urheber ist an den Erträgnissen und Vorteilen aus jeglicher Werknutzung angemessen zu beteiligen, wäre erheblich eindeutiger. Etwas mutiger zeigte sich die Große Koalition beim Auskunftsanspruch über den Verwertungserfolg. Hier können in Maßen auch Verwerter in der Lizenzkette befragt werden. Das Recht zum Rückruf von Nutzungsrechten wird bei Verträgen mit Pauschalvergütung nach 10 Jahren gewährt. Es gilt aber nicht für Filmurheber. Drehbuchautoren haben hier zudem keine Verbesserung der Rückrufmöglichkeit bei Nichtausübung des Verfilmungsrechts zu erwarten, wie ursprünglich vorgesehen. Das verschämt eingeführte Verbandsklagerecht zur Einhaltung von Vergütungsregeln (das eigentlich gar keines ist), wird weitgehend wirkungslos bleiben. Wenn es keine Vergütungsregel gibt, weil der Verwerter ohne Begründung und unsanktioniert einfach das Schlichtungsergebnis ablehnt, dann kann ein Verband auch nicht deren Einhaltung einfordern.

Ein Schutz vor Blacklisting des Urhebers ist auch nicht gegeben, selbst wenn er formal nicht klagt, sondern sein Verband. Es drängt sich ob dieser zumeist marginalen oder unscharfen 'Verbesserungen' für Urheber der Verdacht auf, die Koalition hat die Novelle vor allem verabschiedet, um Verlegern eine Beteiligung an den Zweitrechtserlösen der Verwertungsgesellschaften auch ohne Leistungsschutzrechte zu sichern. Das zumindest ist gelungen. Die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD versprochenen »effizienten Verhandlungs- bzw. Konfliktlösungsmechanismen,... die insgesamt beschleunigt werden müssen, (wobei) die Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens zu verbessern« ist, lassen hingegen weiter auf sich warten. Dass Urheberrecht nicht zuvorderst Handelsrecht sein sollte, bedarf gerade in der digitalen Kreativ- und Wissensgesellschaft einer weiteren, mutigeren Akzentuierung
", so der BVR.

Seit einem halben Jahrhundert betonte der BGH in den einschlägigen Urteilen zum Urheberrecht, dass die Werkschöpfer*innen an den Erträgen und Vorteilen aus jeglicher Nutzung zu beteiligen sind. Da dieser elementare Grundsatz bislang nicht gesetzlich verankert war, wurde davon in der individuellen Vertragspraxis in vielen Bereichen der Kulturwirtschaft abgewichen.

Aufgrund unklarer Regelungen in § 36 UrhG zum Ablauf und zur Frage der Passivlegitimation (etwa von Sendern in der Auftragsproduktion) gelang es gerade den großen Verwertern immer wieder, Verhandlungen über Gemeinsame Vergütungsregeln entweder zu umgehen oder über Jahre durch ablenkende Torpedoklagen im Wege negativer Feststellungsklagen zu verschleppen. Selbst wenn es zur Verhandlung von Vergütungsregeln kam, mussten sich die Berufsverbände mit dem ungerechtfertigten Vorrang von Tarifverträgen in § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG auseinander setzen. Und dies, obwohl z.B. die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in fast allen Branchen der Künste kaum Urheber in repräsentativem Umfang organisiert.

Im Filmbereich kommen eine Reihe von Sondereinschränkungen in den §§ 88 ff. UrhG hinzu. Selbst in der vermeintlichen Glitzerbranche Film- und Fernsehen wächst die Gefahr der Prekarisierung - einem tief greifenden Wandel in der Arbeitswelt - durch real sinkende Einnahmen bei Autoren und Regisseuren und die stetige Zunahme der Zahl von Arbeitsplätzen mit zu geringer Einkommenssicherheit. Als Auslöser für prekäre Arbeitsbeziehungen gelten sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse (unter anderem Zeitarbeitsverträge, Minijobs, Ein-Euro-Jobs und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). Neben mangelnder Arbeitsplatzsicherheit, niedrigen Löhnen, Teilzeitbeschäftigung, befristete Verträgen sowie mangelnden Kündigungsschutz gehört heutzutage leider auch eine mangelnde Interessenvertretung (keine gewerkschaftliche Bindung bzw. fehlender Betriebsrat) zu den strukturellen Ursachen.

Die Altersarmut ist bei Künstlern*innen bereits jetzt überproportional hoch. Sie wird weiter ansteigen, wenn nicht mit einem fairen Urhebervertragsrecht rechtzeitig gegengesteuert wird. Nach der Novellierung des europäischen Urheberrechtsrahmens folgt morgen ein nochmals überarbeiteter Bericht zur Kritik der SPIO am EU-Copyright-Paket, den wir bereits angekündigt hatten.


Nachtrag:
Auch der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) wertet die Urheberrechtsreform nur als Teilerfolg.

"Aus Sicht der Drehbuchautoren schafft der aktuelle Entwurf mehr Probleme, als dass er welche löst", sagt Jan Herchenröder, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Drehbuchautoren. Für eine faire Regelung müssten noch eine Reihe von Nachbesserungen erfolgen, auch wenn im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf einige von den Urhebern bewirkte Korrekturen Niederschlag fanden. So ist es für Drehbuchautorinnen und -autoren ein Fortschritt, dass durch den jährlichen Auskunftsanspruch "endlich Transparenz über die Werknutzungen durchsetzbar ist - auch gegenüber den auftraggebenden Sendern."

Teile der Politik seien kaum dazu bereit, den Verwertern etwas abzuverlangen und ihnen Pflichten aufzuerlegen. Die Verwerter könnten sich weiterhin allzu leicht den GVR-Verhandlungen und Schlichtungsergebnissen entziehen.

Quellen: filmecho | BVR | Arbeitskreis Gewerkschafter Aachen | Spiegel | VDD

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