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Aktuelle Kinotipps im Oktober 2016

Neue Kinofilme und zahlreiche Festivals stehen im Oktober an.



Morgen beginnt in London mit dem BFI des British Film Institutes nicht nur das größte Filmfestival im Vereinigten Königreich, auch in Berlin und in Köln starten in den nächsten Tagen Filmfestivals. In Berlin steht am 6. Oktober 2016 das italienische Filmfestival Cinema Italia im Kino Babylon in Berlin-Mitte an und in Köln startet am 7. Oktober 2016 das 26. Film Festival Cologne.

Um aber auch jenen, die außer zur Berlinale, den Internationalen Filmfestspielen von Berlin, kaum Gelegenheit haben, Festivals zu besuchen oder überhaupt nur selten ins Kino gehen, Informationen zu bieten, was derzeit aktuell im Kino läuft, werden wir unsere Festivalberichterstattung verschieben und heute zuerst Ulrike Schirm mit aktuellen Kinorezensionen den Vorrang geben.

"FRANTZ" von Francois Ozons
Seit 29.09.2016 im Kino.

Francois Ozons Überraschung: Er hat einen Film überwiegend in Schwarz-Weiß gedreht, eine Tragödie und Thriller zugleich. Hier der Trailer:



1919, kurz nach dem ersten Weltkrieg in einer deutschen Kleinstadt. Anna (Paula Beer) besucht täglich das Grab ihres Verlobten Frantz, der in Frankreich gefallen ist. Eines Tages beobachtet sie einen geheimnisvollen Fremden, der Blumen auf das Grab legt. Sie spricht ihn an und erfährt, dass der junge Mann ein Franzose ist und Adrien heißt. Anna, , die bei ihren Schwiegereltern wohnt, lädt den jungen Mann zum Abendessen ein. Noch weiß sie nicht , dass Adrien schon den Versuch unternommen hat, mit Frantz Vater, dem alten Dr. Hoffmeister Kontakt aufzunehmen, doch der hat ihn barsch abgewiesen. Sein Hass sitzt tief. Jeder Franzose ist für Hoffmeister (Ernst Stötzner) der Mörder seines Sohnes. Die Trauer um den gefallenen Sohn hat eine Wunde hinterlassen. „Ich liebe Deutschland, aber noch mehr habe ich meinen Sohn geliebt“ sagt Hoffmeister, der schon vor dem Krieg Mitglied in nationalistischen Kreisen war und seinen Sohn buchstäblich gedrängt hat, sich einzuschreiben. Frantz Mutter hofft, von dem Fremden etwas über ihren Sohn zu erfahren, der schon vor dem Krieg in Paris studiert hat. Sie empfängt Adrien (Pierre Niney) wie einen guten Freund des gefallenen Sohnes.

Geschickt legt Ozon eine Spur, die den Zuschauer auf eine falsche Fährte führt. Der Plot enthält jede Menge Überraschungen, die getragen sind  von dem aufrichtigen Glauben an Vergebung und dem Gedanken, dass alle Menschen letztendlich Brüder sind. Mit seinen eindringlichen Schwarz-Weiß-Bildern , die in ganz besonderen Momenten in farbige wechseln, taucht er das Geschehen in eine kunstvolle Künstlichkeit, die fern von Kitsch und Übertreibung ist. Er zeigt, dass eine freundschaftliche Verbindung zwischen Deutschen und Franzosen durch Musik und Kunst durchaus möglich ist. Die hervorragenden Darsteller, besonders die junge Paula Beer, von der man in Zukunft viel, viel mehr sehen wird, machen dieses Drama besonders sehenswert.

Ulrike Schirm

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"NEBEL IM AUGUST" von Kai Wessel
Seit: 29.09.2016 im Kino

Leider, leider ist die tragische Geschichte, die Kai Wessel in seinem Film erzählt, eine wahre. 2008 veröffentlicht Robert  Domes den Tatsachenroman „Nebel im August“, in dem er über das tragische Schicksal des Jungen Ernst Lossa berichtet. Der Produzent Ulrich Limmer war zutiefst erschüttert als er von diesem Schicksal erfuhr. Er kümmerte sich um die Rechte an dem Buch und entwickelte einen Spielfilm über ein Thema, das in der Öffentlichkeit wenig Beachtung gefunden hat: Die NS-Euthanasie, der Massenmord an über 200.000 psychisch kranken und behinderten Menschen in Heil-und Pflegeanstalten. Sie wurden vergast, vergiftet oder starben einen bewusst herbeigeführten Hungertod. Hier der Trailer:



Der 13-jährige Ernst Lossa (Ivo Pietzcker, der schon in „Jack“ auf der 64. Berlinale 2014 seine Rolle bemerkenswert gespielt hat), Halbwaise und Sohn fahrender Händler, ist ein aufgeweckter, rebellischer Junge, der in Kinderheimen lebte und von dem Personal als „schwer erziehbar“ eingestuft wurde und kurzerhand in eine Nervenheilanstalt abgeschoben wurde. Instinktiv spürt er, dass er ein Außenseiter ist, genauso wie die anderen Kinder in der Anstalt. Er beobachtet, wie Kinder auf Anweisung der oberen NS-Schergen aus Berlin abgeholt werden und nicht mehr zurückkommen. Später überträgt man die Entscheidungen den jeweiligen Anstaltsärzten die „Patienten“ nach eigenem Ermessen in den Tod zu schicken. Dr. Walter Veithausen (Sebastian Koch) der „gute Onkel Walter“ entwickelt seine eigenen Methoden, indem er die für nicht lebenswert eingestuften Kinder vor Ort einschläfert oder sie verhungern lässt, während sie „essen“. Diese Kost wurde ganz schnell von anderen Heimen übernommen und erfolgreich eingesetzt. Für Ernst, der genau mitbekommt, was hinter der scheinheiligen Freundlichkeit des Dr. Veithausen wirklich abläuft, eine kaum tragbare Last, die den Jungen nicht verzweifeln lässt, sondern ihn dazu bewegt, sich dagegen zu stellen, indem er aus den Vorratskammern Lebensmittel stiehlt und sie den hungernden Kindern heimlich verabreicht. Es ist Ernst, der den Mut aufbringt, und Veithausen ins Gesicht schreit, dass er ein hundsgemeiner Verbrecher ist. Ein Lügner und Mörder.

Seine „Aufmüpfigkeit“ führte dazu, dass man beschloss, auch Lossa zu „euthanasieren“. Kai Wessel versteht es, seine Schauspieler großartig zu führen, ganz besonders den hochbegabten Ivo, der durch sein eindringliches und minimalistisches Spiel die psychische Belastung seiner Rolle während der Dreharbeiten mit Bravour meistert. Der Pfleger Paul Hechtle  (Thomas Schubert), der hin-und-hergerissen ist, zwischen Unterwerfung und einem Gefühl von Unrecht und Mitmenschlichkeit, spielt bemerkenswert. Fritzi Haberlandt, die Ordensschwester, die sich mit Lossa verbündet, als sie Zeugin des perfiden Tötens wird. Sebastian Koch, der in seiner sanften Art ohne jedes Schuldgefühl überzeugt ist, das Richtige zu tun, lässt einen erschauern. Und nicht zu vergessen, die Kinder, deren Spiel von einer unglaublichen Ernsthaftigkeit und Natürlichkeit geprägt ist, zeigt Wessels enormes Einfühlungsvermögen mit dem er gekonnt sein Team führt. Es ist der Nebel im August , der des nachts über dem Teich liegt, als Ernst und seine zum Tod geweihte Freundin Nandl (Jule Hermann) davon laufen, sich einen Kahn schnappen und für einen kurzen Moment ihren kindlichen Träumen nachhängen.

Kaufbeuren, ein idyllischer Ort in Süddeutschland, wo hinter den Wänden eines dunklen Backsteinhauses zwischen 1939 und 1945 aus niederen Motiven kaltblütig gemordet wurde. In den Prozessen nach dem Krieg wurden die meisten Ärzte und Organisatoren des Massenmordes freigesprochen oder zu geringen Haftstrafen verurteilt. Erst 2014 wurde in Berlin ein Gedenk-und Informationsort zu Ehren der Opfer der NS-Euthanasie errichtet.

Ulrike Schirm

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FINDET DORIE 3D-Animationsfilm von Pixar
Seit 29.09.2016 im Kino

13 Jahre ist es her, als aus der Animationsfirma Pixar das Unterwasserabenteuer des kleinen Clownfisch Nemo die Menschen berührte und ein Riesenerfolg wurde. Hier der Trailer:



Vielleicht erinnert sich noch so manch einer an den Doktorfisch Dorie , der unter Gedächtnisschwund litt und das Beste draus machte: „ Keine Erinnerung, keine Probleme“. In „ Findet Dorie“ versucht die vergessliche Doktorfischdame ihre Eltern wiederzufinden.  Das Einzige, an dass sie sich erinnert ist, dass sie Jenny und Charly heißen und blau sind. Sie lebt in einem hübschen Korallenriff bei Clownfisch Marlin und dessen Sohn Nemo. Die Sehnsucht nach ihren Eltern lässt ihr keine Ruhe und der Gedanke, dass sie nach ihr suchen, motiviert sie auf große Ozeanstour zu gehen. Begleitet wird sie von ziemlich schrulligen Figuren, dem mürrischen Oktopus Hanks, der eigentlich ein Septopus ist, da er nur sieben Fangarme hat und Destiny, ein gutmütiger Walhai, der leider extrem kurzsichtig ist. Angereichert ist die Story, die stark an „Findet Nemo“ erinnert, mit zahlreichen Gags, allerdings etwas ernster und erwachsener. Köstlich, wenn Dorie wieder Walisch plappert. Gesprochen wird sie in der deutschen Fassung von Anke Engelke. Bis Dorie ihren Eltern langsam näher kommt, sorgt ihr fehlendes Gedächtnis für heilloses Chaos, versetzt mit leisen Tönen und melancholischen Momenten. Ein quietschbunter Spaß für  Jung und Alt ist garantiert. Ja und vielleicht gibt es eine Fortsetzung, die da lautet „Findet Hanks“ oder „Findet Destiny“.

Ulrike Schirm

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"24 WOCHEN" seit 22.09.2016 im Kino

Es gibt mehr als genug Filme, die man ganz schnell vergessen hat, noch bevor man wieder zu Hause ist. Ich rede von Kinofilmen. 24 WOCHEN, der im Wettbewerb der 66. Berlinale 2016 lief, gehört nicht dazu. Es geht in erster Linie um eine Problemschwangerschaft und die Entscheidung das Baby mit erkennbarem Downsyndrom zur Welt zu bringen oder nicht. Astrid (Julia Jentsch) und ihr Mann Markus (Bjarne Mädel) stehen vor der schlimmsten Entscheidung ihres bisherigen Lebens. Leicht machen sich die beiden die Entscheidung nicht. Eine Belastungsprobe für alle Beteiligten auch für die 7-jährige Tochter, die behinderte Kinder eklig findet. Wenn es um medizinische Fragen und Antworten geht, wird das Paar von echten Ärzten und Schwestern beraten und das gesamte Team darf im Krankenhaus drehen, was dem Tabuthema eine glaubhafte emotionale Wucht verschafft. Hier der Trailer:



Für meine Begriffe hat man jedoch ein wenig geschummelt. Es ist schon ein Unterschied ob ich vor der Entscheidung stehe ein Downsyndrom-Kind  abzutreiben, was ja nicht unbedingt schwachsinnig sein muss, sondern durchaus zu einem sonst gesunden und liebenswerten Menschen heranreifen kann. Das Baby, was Astrid auf die Welt bringen würde hat nun zusätzlich auch noch einen Herzfehler, der nach der Geburt sofort operiert werden muss und die Chance, dass das Kind den Eingriff überlebt ist mehr als vage. Diese Nachricht, macht den Kampf sich für oder das Kind zu entscheiden, ein wenig leichter. Ein Film, über den geredet werden wird und der zu interessanten Diskussionen führt. Ein Thema, realitätsnah und wichtig.

Ulrike Schirm

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