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Nachbesserungen beim TTIP und zu VoD gefordert

Die EU will Nachbesserungen beim Freihandelsabkommen. Gleichzeitig wird aber auch Kritik an der EU-Richtlinie zum digitalen Binnenmarkt geübt.



Das EU-Parlament hat sich kürzlich hinter das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA gestellt, aber Nachbesserungen verlangt. Bei den umstrittenen privaten Schiedsgerichten einigten sich die Parlamentarier auf einen Kompromiss. Sie sollen durch ein System mit unabhängigen Richtern und einer Berufungsinstanz ersetzt werden. Ein entsprechender Antrag wurde mit großer Mehrheit verabschiedet, was von deutschen Kulturschaffenden positiv aufgenommen wurde. Allerdings muss das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen noch vom Parlament endgültig bestätigt werden.



Beim Deutschen Kulturrat sorgt dennoch das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership") weiterhin für Empörung, wie wir am 23. April 2015 berichteten, denn bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung dringen zumeist nur negative Nachrichten nach außen. Zwar setzt sich die Kulturstaatsministerin Monika Grütters vehement für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland ein, doch gegen die großen Industrielobby-Verbände, allen voran die Autoindustrie, hat die Kultur meist das Nachsehen. Sogar das Wirtschaftsministerium sieht die Filmproduktion in erster Linie als Wirtschaftsgut an, bevor einigen Verantwortlichen klar wird, dass insbesondere Autoren- und Arthouse-Filme auch als schützenswertes deutsches Kulturgut vermehrt beachtet werden müssten.


Sogar im Europa-Parlament wird die Filmkultur mit zweierlei Maß gemessen, denn die Europäische Kommission will einen europäischen Binnenmarkt auch im Online-Bereich schaffen, schreibt die Produzentenallianz. Die EU meint, hierzu ein Verbot von Geoblocking-Maßnahmen einführen zu müssen, das zwingend einen europaweiten Zugriff auf alle Video-on-Demand-Angebote (VoD) ermöglichen würde.

Doch nach Meinung der Produzentenallianz macht tatsächlich erst die Vergabe territorial begrenzter Lizenzen und der hierzu erforderliche Einsatz von Geoblocking-Maßnahmen eine zeitlich und örtlich differenzierte Auswertung audiovisueller Inhalte in verschiedenen Territorien möglich – und stellt somit die Voraussetzung für eine erfolgreiche Wertschöpfung in diesem wichtigen Bereich der Kreativindustrien her.

Durch Abschaffung des Geoblockings würden die bisherigen Auswertungsfenster im Bereich der Kino- und Fernsehvermarktung unterlaufen. Die bisher gut funktionierende zeitliche Beschränkung durch gestaffelten Vermarktung von Filmen im regionalen Bereich der europäischen Länder würde durch eine zeitgleiche, weltweite Vermarktungsstrategie die europäische und insbesondere die bisherige deutsche Filmförderung ad-absurdum führen, schrieben wir am 14. Juni 2015 zur Digitalstrategie der EU-Kommission.

Sollte die EU-Kommission ihren Plan verwirklichen, zur Schaffung eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes das Geoblocking zu verbieten, würde sie die Grundlage für die Finanzierung und Vermarktung europäischer Filme vernichten“, erklärt Alexander Thies, Vorsitzender des Gesamtvorstands der Allianz Deutscher Produzenten.

Ein dramatischer Preisverfall für Lizenzen und Garantiezahlungen würde die Realisierung von Filmen, die durch ihre nationale Herkunft geprägt sind und die gerade die Vielfalt des europäischen Filmschaffens ausmachen, katastrophal schwächen. Das wäre auch im Sinne des europäischen Gedankens die ganz sicher nicht gewollte Folge einer Politik, die für das Dogma des digitalen Binnenmarktes die Gegebenheiten des Marktes ausblendet. Das Ergebnis wäre nicht die Zunahme der Zahl europaweit verfügbarer europäischer Filme, sondern ein dramatischer Rückgang der Filmproduktion in Europa und ein Verlust der kulturellen Vielfalt in diesem Bereich,“ so die Produzentenallianz weiter.

Auch der Deutsche Bundesrat hat sich am 10. Juli 2015 in seiner 935. Sitzung mit dem Thema beschäftigt und kommt zum Entschluss, dass Geoblocking durchaus seine Berechtigung haben kann. Sollte die EU-Kommission Geoblockking im audiovisuellen Sektor als "ungerechtfertigt" betrachten, würde dem europäische Film diese Grundlage entzogen.

Dass die USA dagegen ganz andere Interessen und Ziele vor Augen haben und deshalb auf baldigen Abschluss der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen drängen, mag folgendes Beispiel deutlich machen. Am 9. Juli 2015 wurde nämlich bekannt, dass Filmmajors wie Paramount Pictures neue Wege bei der Filmauswertung beschreiten wollen. Testweise soll das Zeitfenster der Kinoauswertung auf 14 Tage verkürzt werden. Zum Ausgleich sollen die US-Kinoketten dafür 90 Tage lang an den VoD-Umsätzen beteiligt werden.

"Filmliebhaber erwarten Taten und dass wir ihren Wünschen entgegenkommen", sagte Paramount-Pictures-CEO Brad Grey in einem Statement. "Die Kinos wollen ihre Geschäfte am Laufen halten. Die Filmemacher wollen ihre Filme mit dem Premiumstempel der Kinoauswertung versehen, gleichzeitig aber auch eine breitere Zuschauerschicht erreichen. Unsere Hoffnung ist, mit dieser innovativen Initiative allen Parteien gerecht zu werden."

Die neue Vereinbarung mit Paramount gehe mit den Interessen der Konsumenten, Filmemacher und Kinobetreiber einher, um zunächst einmal das Kinoerlebnis zu maximieren und dann im zweiten Schritt den digitalen Zugriff zu legitimieren, so Lopez weiter. Bisher wurde die VoD-Auswertung stiefmütterlich behandelt, denn nach der Kinoauswertung stand zuerst der Vertrieb von DVD und Blu-ray im Vordergrund. Durch starken Einbruch bei den DVD-Verkäufen, denkt die Filmindustrie allerdings um und setzt zunehmend den Fokus auf den Pay-TV und VoD-Markt.


So hat gerade Amazon ebenfalls einen Vertag mit dem Independent-Regisseur Spike Lee geschlossen, um gemeinsam mit ihm in die Produktion von Spielfilmen einzusteigen. Die Filme sollen dann nur wenige Wochen nach der Kinoauswertung exklusiv für Kunden von Amazon Prime instant video zur Verfügung gestellt werden sollen. Erstes gemeinsames Produkt ist der Film "Chi-Raq", der kürzlich in Chicago abgedreht wurde und mit einem imposanten Cast aufwartet. So spielen neben Newcomerin Teyonah Parris bekannte Schauspieler wie Wesley Snipes, Nick Cannon, Jennifer Hudson, Angela Bassett, John Cusack und Samuel L. Jackson in dem Drama über Großstadt-Gewalt mit. Die gleichnamige Musical-Komödie "Chiraq" nahm Spike Lee für seinen kommenden Film zum Anlass, das Thema tiefgründiger anzugehen. Der Spitzname "Chiraq" verbindet die Unruhen in Chicago mit dem Irak und vergleicht die Gewalt an beiden Orten. Hier ein 18 Minuten langer Clip aus Episode 1 der Serie sowie ein erschreckender Extended Trailer über die Gewalt in Chicago und drittens Stunts aus Spike Lees Dreharbeiten.









Sogar der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sieht in der am 15.07.2015 in München vorgestellten Studie "Pay-TV in Deutschland 2015" einen gewaltigen Aufschwung bei der »Video on Demand« Nachfrage. Demnach stiegen die Umsätze im Bereich Pay-TV und Paid-Video-on-Demand im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2013 in Deutschland um acht Prozent auf 2,4 Mrd. Euro an; für das laufende Jahr wird ein weiterer Umsatzanstieg um sieben Prozent auf knapp 2,4 Mrd. Euro prognostiziert.

"Wir gehen davon aus, dass sich der positive Trend in den nächsten Jahren fortsetzt und sich der deutsche Markt mit Blick auf die Pay-TV-Penetration den anderen europäischen Märkten annähert. Vieles spricht dafür, dass die Menschen in Deutschland zunehmend bereit sind, für qualitativ hochwertige Bewegtbildinhalte zu zahlen", so der Verband.

Durch den Hype um NETFLIX erwarten die Konsumenten, die Möglichkeit Filme auf »Video on Demand« (VoD) Plattformen frühzeitig auch zu Hause mit hochwertigen 4K-Flachbildschirmen sehen zu können, denn nicht jeder wohnt in Großstädten mit einem umfassenden Kinoangebot. Zwar gibt es angeblich noch keine Pläne, das Modell eines verkürzten Kinozeitfensters auch im deutschen Markt zu implementieren, doch mit TTIP könnten sich die Zeiten ändern. Im letzten Jahr wurden bereits 220.000 UHD-TV-Geräte in Deutschland verkauft und in diesem Jahr sollen nochmal weitere 750.000 Geräte in Deutschland über den Ladentisch wandern.


Um konkurrenzfähig zu bleiben wollen die deutschen Kinoketten aber in jedem Fall ihr Angebot verbessern. Dafür wurde am 8. Juli 2015 im Rahmen der Jahresmitgliederversammlung von HDF-Kino e.V. unter dem Namen "DeinKinoticket.de" die erste nationale Kino-Onlineticketplattform im Berliner Zoo Palast vorgestellt, die voraussichtlich Ende des Jahres an den Start gehen wird. Die Plattform an der mit Cinemaxx, Cineplex, CineStar, Kinopolis und UCI Kinowelt fünf große deutsche Kinobetreiber beteiligt sind, ermöglicht erstmals einen bundesweiten und flächendeckenden Onlinekartenkauf.

Sowohl über eine Website, als auch Apps für iOS, Android und Windows soll "DeinKinoticket.de" den Spielplan der teilnehmenden Filmtheater abbilden. Hat der Kunde seinen Wunschfilm und die gewünschte Vorstellung ausgewählt, wird er für den Kaufvorgang direkt auf das Online-Ticketing des ausgewählten Kinos weitergeleitet. Anders als bei anderen Dienstleistern sollen keine Ticketgebühren oder Teile eines Online-Aufschlags erhoben werden.

Quellen: Blickpunkt:Film | Produzentenallianz | Filmecho | Kulturrat | HDF Kino e.V.

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