Filmförderung: Im Zweifel für das Bewährte
FFA-Expertenkommission plädiert für eine Reform des FFG zu Gunsten der Referenzförderung*.
Von Katharina Dockhorn (VdFk | DJV)
Hartz VII droht deutschen Filmproduzenten. Der einheimische Film steht vor dem Aus. Solche Unkenrufe beherrschten in den vergangenen Tagen die Diskussionen, wenn die offiziellen Jubelreden über die Erfolge des deutschen Films beendet waren. Endlich wieder ein Buffet bei der Filmpreis-Verleihung, doch die fetten Jahre sind vorbei und die Verteilungskämpfe haben begonnen. Für die hoch subventionierte deutsche Filmproduktion wird perspektivisch weniger Geld zur Verfügung stehen, wenn es nicht gelingt, wieder Risikokapital anzulocken. Auf die Unterstützung der Politik kann die Branche dabei nicht hoffen. Seitdem deutsche Zahnärzte über Filmfonds das Lächeln von Tom Cruise auf die Leinwand brachten und Jürgen Vogel leer ausging, ist das Thema in Bundesparlament und Regierung verbrannt. Ein Modell nach britischem Vorbild, wo bis zu 25% des Budgets als Steuerzuschuss winken, wird es in Deutschland nicht geben. Auch weil die Ausgaben nicht planbar seien.
Die kommenden Finanzierungslücken und die anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) wurden endlich zum Anlass genommen, um die Effizienz der Förderung zu hinterfragen. Seit Januar liegt die Studie nun vor, die die FFA in Auftrag gegeben hatte. Sie ist aber offenbar so geheim, dass einige Mitglieder aus dem Verwaltungsrat der FFA und Vorstände von Verbänden nach deren Bekunden über den Inhalt am Freitag, beim Medienempfang der CDU im Bundestag, noch nicht genau Bescheid wussten. Eine gesunde Diskussionskultur im Verwaltungsrat der FFA, den die Branche selbst liebevoll Filmparlament nennt, sieht anders aus. Es riecht nach Hinterzimmer-Diplomatie.
Und auch nur durch eine Indiskretion wurde das Diskussionspapier einer von der FFA eingesetzten Expertenkommission zur Novellierung des FFG bekannt. Ein Papier der Generation 50plus für die ehrenvoll Ergrauten. Mit einigen Ausnahmen.
Sie hat sich gut im deutschen Fördersystem eingerichtet. Wichtig ist hierzulande vor allem, dass ein Film gedreht wird. Dank immer üppiger werdender Fördertöpfe stieg die Quantität kontinuierlich, von rund 50 Movie made in Germany Mitte der 1990er auf jährlich mehr als 200 Titel. Der DFFF hat seine Ziele für das deutsche Marksegment verfehlt. Die Mehrzahl der Produzenten bildete kein Eigenkapital und stolpert weiter von Projekt zu Projekt. Die Budgets der einzelnen Filme stiegen zunächst, aber nach teuren kommerziellen Flops wie „John Rabe“ war die Phase des Amphibienfilms beendet. Es wird wieder auf Masse statt Klasse gesetzt.
Die Zuschauer zeigt der Mehrzahl der deutschen Filme die Kalte Schulter. Die Qualität fehlt, was sich auch darin ausdrückt, dass seit Jahren kein deutscher Film beim Festival in Cannes läuft und Oscar-Nominierungen nur für die Dokfilme von Wim Wenders abfielen.
Die fehlende künstlerische Relevanz oder das Desinteresse des Publikums störte die Produzenten bislang kaum. 50% der Drehkosten jedes Films stammten öffentlichen Fördergeldern, beim Nachwuchs – und dort ist dies durchaus angebracht – sogar 80% des Budgets. Doch schon bei den aufstrebenden Filmemachern beginnt die Crux. Statt den Hochschulen die finanziellen Mittel für die Abschlussfilme der Studenten direkt anzuweisen, leiten die Länder sie zunächst an die Förderungen. Die Studenten werden so früh zu Bittstellern, die zusätzlich von Fernsehformatvorgaben erdrückt werden. Sie lernen Förderungskonforme Anträge zu stellen. Statt sich auf die Umsetzung ihrer Ideen zu konzentrieren. Viele Filmemachen finden aus diesem Dschungel nie wieder hinaus.
Und so werden die kommerziell erfolgreichsten Filme von zwei Schauspielern gedreht. Auch Sebastian Schipper sah nie eine Filmhochschule von innen.
300 Millionen Euro fließen jedes Jahr in die verschiedensten Fördertöpfe. Zusätzlich pumpen ARD und ZDF Millionen im zweistelligen Bereich in Kinokoproduktionen, die sie im Programm nicht einsetzen. Diese Ära wird enden. Der Bundestag kürzte den Etat des Deutschen Filmförderfonds um 10 Millionen Euro. Es ist zu erwarten, dass diese nun in die Digitalisierung des Filmerbes fließen, für das PWC gerade den jährlichen Bedarf in dieser Höhe errechnet hat. Bei ARD und ZDF sind die Einnahmen bis 2020 auf dem heutigen Niveau gedeckelt, Sie müssen sparen. Der WDR kappte bereits seine Einzahlungen bei der Film- und Medienstiftung NRW, das ZDF zahlt bei der FFA nur den Pflichtbeitrag und nicht wie erhofft die Summe, die es einst laut Film-Fernseh-Abkommen überwies.
Der FFA brechen die Mittel auch an anderer Stelle weg. Beim Kino liegen die Einnahmen dank der Erhöhung der Eintrittspreise stabil bei 25 Millionen Euro jährlich, die Erlöse aus dem Home-Entertainment-Segment schrumpften dagegen von 15 auf neun Millionen. Denn das Konsumentenverhalten hat sich grundlegend verändert. Eine vierköpfige Familie überlegt sich zweimal, ob sie 50 Euro für einen Kinobesuch zahlt. Oder ein wenig wartet, bis die DVD auf dem Markt ist. Mittlerweile sind die VoD-Angebote so günstig, dass sich die Scheiben zu Ladenhütern entwickeln. Die Folge: Die Teenager gehen seltener ins Kino als ihre Eltern. Und die VoD-Anbieter sitzen irgendwo auf der Welt, in Deutschland wurde diese Entwicklung verschlafen und von den Kartellgesetzen verhindert. Inwieweit ausländische Anbieter zu Abgaben herangezogen werden können, wie es das FFG vorsieht, entscheidet die EU. Eine Antwort steht seit drei Jahren aus.
Der Etat der FFA wird daher wohl schrumpfen. Von derzeit 50 auf vielleicht 40 Millionen Euro. Mit dem Papier der Expertenkommission beginnen die Verteilungskämpfe. Sie empfiehlt unter dem Deckmäntelchen des Modeworts Exzellenzförderung die Bevorzugung des Etablierten, in dem sie das FFG wieder auf Anfang setzt. 1967 sah es einzig und allein die Verteilung von Referenzmitteln vor. Was bekanntlich zur Folge hatte, dass die Schulmädchen-Reporte profitierten und Fassbinder leer ausging. Dessen Filme wurden vor allem vom Fernsehen finanziert.
In den folgenden Jahrzehnten kam dann die Projektförderung hinzu und in den Novellierungsrunden wurde um den Anteil beider Förderarten gerungen. Momentan gehen 60% des FFA-Haushalts in die Förderung neuer Projekte. Nach dem Willen der Expertenkommission sollen es künftig nur 15% sein. Weniger geht kaum. ARD und ZDF zahlen rund 8 Millionen an die FFA. Dieses Geld darf nicht in die Referenzförderung fließen. Die Aufhebung dieser gesetzlichen Vorgabe wird diskutiert. Da aber die kommerziell erfolgreichen Filme vor allem von Pro7Sat1 koproduziert werden und diese überproportional von der Referenzförderung profitieren, droht im schlimmsten Falle gar eine Quersubventionierung privater Sender durch Mittel des Gebührenzahlers. Oder der FFA eine riesige Rechenaufgabe.
Die kriteriengestützte Referenzfilmförderung, mit der künstlerische Qualität belohnt werden soll, soll nach den Plänen weiter eingedampft werden. In der letzten Novellierungsrunde fiel der Golden Globe raus, jetzt soll es die Prädikate der FBW treffen, die bis dato zu einer Halbierung der Mindestbesucherzahlen führten, bei der die Referenzförderung überhaupt einsetzte. Es bleiben dann neben den Festivals, deren Liste seit Jahren nicht verändert wurde und schon für den deutschen Markt nicht auf dem neuesten Stand ist, nur die Lola- und Oscar-Ehrungen. Sie werden von der Branche selbst vergeben. Das Urteil unabhängiger, von den Bundesländern entsandter Experten oder Filmkritikern wird zur Randnotiz degradiert.
Für den Nachwuchs, den Dokumentarfilm und alle Filmemacher, die mit viel Herzblut in ein Projekt investiert haben, dass dann aus welchen Gründen auch immer nicht der Film wurde, den alle am Anfang im Kopf hatten, sieht es durch die geringen Mittel für die Projektförderung künftig schlecht aus. Das ist vor allem ein Nachteil für kleine, unabhängige Firmen.
Außerdem könnte der Vorschlag zu einer Konzentration der Mittel auf die finanzstarken Förderländer führen, die schon jetzt überproportional profitieren. NRW, Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg und die Vertragsländer der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM). Länder mit kleiner oder ohne Filmförderung wie das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz werden noch weiter von der filmischen Landkarte verschwinden - schon heute sind die Abgaben der Filmtheater aus Mecklenburg und Vorpommern höher als die Mittel, die für Drehs dorthin zurückfließen. Dieser Trend wird sich verstärken, wenn die FFA-Mittel nicht mehr da sind, die als einzige örtlich flexibel einsetzbar sind.
Ein No-Go sollte für den Vorschlag gelten, dass die Produzenten künftig von der Pflicht befreit werden, selbst Eigenmittel in ein Projekt einzubringen. Das geht für Debüts und Firmen in den Anfangsjahren. Dies geht aber nicht unter dem Aspekt, dass sich die Produzenten wünschen, bis zu 500.000 Euro in fünf Jahren aus der Referenzfilmförderung für die Erhöhung ihres Stammkapitals einsetzen zu können.
Andere Vorschläge sind zu begrüßen. Dass die Mittel aus der Referenzfilmförderung künftig nicht mehr ausschließlich als Zuschüsse, sondern hälftig als bedingt rückzahlbare Darlehen auszuzahlen sind. Dies soll und könnte zu einer Erhöhung des Topfes insgesamt führen.
Natürlich ist die Reduzierung der Gremien der FFA und deren Besetzung mit Experten zu begrüßen. Auch am Willen, endlich den Drehbüchern eine höhere Aufmerksamkeit zu schenken, ist nichts auszusetzen. In diese Richtung denkt auch Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien.
Zu kritisieren ist die Halbherzigkeit dieses Vorschlags, der die an anderen Stellen viel beschworenen Eigenverantwortlichkeit des Produzenten und ihrem Wunsch, als Urheber anerkannt zu werden, widerspricht. Nur 4% des künftigen FFA-Etats soll für die Schlüsselposition Drehbuch reserviert werden, bei 50 Millionen sind dies zwei Millionen Euro. In einem zweistufigen Verfahren soll ungefähr die Hälfte der Summe für die Entwicklung von einer Vielzahl von Projekten ausgeschüttet werden. Ausgewählt werden sie – endlich – von Experten. Diese wählen aus diesem Pool dann acht bis zehn Bücher pro Jahr, die mit bis zu 100.000 Euro pro Buch bis zur Drehreife entwickelt werden. Ob dies der Autor alleine schafft oder welche Hilfe er und der Produzent sich dabei suchen, wird allerdings nicht ihrer Entscheidung überlassen. Die Experten bleiben als Berater und Kontrolletties an Bord. Es entsteht eine hauptamtliche Bundesdramaturgie-Kommission.
Hier ist sicher das letzte Wort nicht gesprochen. Der Entwurf zielt darauf ab, den Schwerpunkt der Förderung noch intensiver in Richtung Wirtschaft zu treiben und ist über das Ziel hinausgeschossen. Er fließt jetzt in den Referentenentwurf des FFG ein, den das Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM) im Herbst vorlegen will. Wichtigkeit hoch wie man hört.
Link: www.ffa.de (Filmförderungsanstalt)
Glossar: *Referenzfilmförderung ist eine Herstellungsförderung für Filmproduktionen. Voraussetzung für diese Filmförderung ist, dass der Hersteller eines programmfüllenden Kinofilms einen künstlerisch oder wirtschaftlich erfolgreichen Referenzfilm vorweisen kann.
Wirtschaft und oder Kultur. In der Filmförderung steht dieses Verhältnis seit langem auf dem Kopf. Die für Kultur zuständigen Länder fördern vorrangig wirtschaftlich, der Bund engagiert sich kulturell. Dazwischen steht die Filmförderungsanstalt (FFA), in der das Pendel mal in die eine oder andere Richtung ausschlug. Eine Expertenkommission aus dem Kreis der Etablierten schlägt nun die Konzentration auf wirtschaftliche Aspekte vor. Mit weitreichenden Folgen.
Von Katharina Dockhorn (VdFk | DJV)
Hartz VII droht deutschen Filmproduzenten. Der einheimische Film steht vor dem Aus. Solche Unkenrufe beherrschten in den vergangenen Tagen die Diskussionen, wenn die offiziellen Jubelreden über die Erfolge des deutschen Films beendet waren. Endlich wieder ein Buffet bei der Filmpreis-Verleihung, doch die fetten Jahre sind vorbei und die Verteilungskämpfe haben begonnen. Für die hoch subventionierte deutsche Filmproduktion wird perspektivisch weniger Geld zur Verfügung stehen, wenn es nicht gelingt, wieder Risikokapital anzulocken. Auf die Unterstützung der Politik kann die Branche dabei nicht hoffen. Seitdem deutsche Zahnärzte über Filmfonds das Lächeln von Tom Cruise auf die Leinwand brachten und Jürgen Vogel leer ausging, ist das Thema in Bundesparlament und Regierung verbrannt. Ein Modell nach britischem Vorbild, wo bis zu 25% des Budgets als Steuerzuschuss winken, wird es in Deutschland nicht geben. Auch weil die Ausgaben nicht planbar seien.
Die kommenden Finanzierungslücken und die anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) wurden endlich zum Anlass genommen, um die Effizienz der Förderung zu hinterfragen. Seit Januar liegt die Studie nun vor, die die FFA in Auftrag gegeben hatte. Sie ist aber offenbar so geheim, dass einige Mitglieder aus dem Verwaltungsrat der FFA und Vorstände von Verbänden nach deren Bekunden über den Inhalt am Freitag, beim Medienempfang der CDU im Bundestag, noch nicht genau Bescheid wussten. Eine gesunde Diskussionskultur im Verwaltungsrat der FFA, den die Branche selbst liebevoll Filmparlament nennt, sieht anders aus. Es riecht nach Hinterzimmer-Diplomatie.
Und auch nur durch eine Indiskretion wurde das Diskussionspapier einer von der FFA eingesetzten Expertenkommission zur Novellierung des FFG bekannt. Ein Papier der Generation 50plus für die ehrenvoll Ergrauten. Mit einigen Ausnahmen.
Sie hat sich gut im deutschen Fördersystem eingerichtet. Wichtig ist hierzulande vor allem, dass ein Film gedreht wird. Dank immer üppiger werdender Fördertöpfe stieg die Quantität kontinuierlich, von rund 50 Movie made in Germany Mitte der 1990er auf jährlich mehr als 200 Titel. Der DFFF hat seine Ziele für das deutsche Marksegment verfehlt. Die Mehrzahl der Produzenten bildete kein Eigenkapital und stolpert weiter von Projekt zu Projekt. Die Budgets der einzelnen Filme stiegen zunächst, aber nach teuren kommerziellen Flops wie „John Rabe“ war die Phase des Amphibienfilms beendet. Es wird wieder auf Masse statt Klasse gesetzt.
Die Zuschauer zeigt der Mehrzahl der deutschen Filme die Kalte Schulter. Die Qualität fehlt, was sich auch darin ausdrückt, dass seit Jahren kein deutscher Film beim Festival in Cannes läuft und Oscar-Nominierungen nur für die Dokfilme von Wim Wenders abfielen.
Die fehlende künstlerische Relevanz oder das Desinteresse des Publikums störte die Produzenten bislang kaum. 50% der Drehkosten jedes Films stammten öffentlichen Fördergeldern, beim Nachwuchs – und dort ist dies durchaus angebracht – sogar 80% des Budgets. Doch schon bei den aufstrebenden Filmemachern beginnt die Crux. Statt den Hochschulen die finanziellen Mittel für die Abschlussfilme der Studenten direkt anzuweisen, leiten die Länder sie zunächst an die Förderungen. Die Studenten werden so früh zu Bittstellern, die zusätzlich von Fernsehformatvorgaben erdrückt werden. Sie lernen Förderungskonforme Anträge zu stellen. Statt sich auf die Umsetzung ihrer Ideen zu konzentrieren. Viele Filmemachen finden aus diesem Dschungel nie wieder hinaus.
Und so werden die kommerziell erfolgreichsten Filme von zwei Schauspielern gedreht. Auch Sebastian Schipper sah nie eine Filmhochschule von innen.
300 Millionen Euro fließen jedes Jahr in die verschiedensten Fördertöpfe. Zusätzlich pumpen ARD und ZDF Millionen im zweistelligen Bereich in Kinokoproduktionen, die sie im Programm nicht einsetzen. Diese Ära wird enden. Der Bundestag kürzte den Etat des Deutschen Filmförderfonds um 10 Millionen Euro. Es ist zu erwarten, dass diese nun in die Digitalisierung des Filmerbes fließen, für das PWC gerade den jährlichen Bedarf in dieser Höhe errechnet hat. Bei ARD und ZDF sind die Einnahmen bis 2020 auf dem heutigen Niveau gedeckelt, Sie müssen sparen. Der WDR kappte bereits seine Einzahlungen bei der Film- und Medienstiftung NRW, das ZDF zahlt bei der FFA nur den Pflichtbeitrag und nicht wie erhofft die Summe, die es einst laut Film-Fernseh-Abkommen überwies.
Der FFA brechen die Mittel auch an anderer Stelle weg. Beim Kino liegen die Einnahmen dank der Erhöhung der Eintrittspreise stabil bei 25 Millionen Euro jährlich, die Erlöse aus dem Home-Entertainment-Segment schrumpften dagegen von 15 auf neun Millionen. Denn das Konsumentenverhalten hat sich grundlegend verändert. Eine vierköpfige Familie überlegt sich zweimal, ob sie 50 Euro für einen Kinobesuch zahlt. Oder ein wenig wartet, bis die DVD auf dem Markt ist. Mittlerweile sind die VoD-Angebote so günstig, dass sich die Scheiben zu Ladenhütern entwickeln. Die Folge: Die Teenager gehen seltener ins Kino als ihre Eltern. Und die VoD-Anbieter sitzen irgendwo auf der Welt, in Deutschland wurde diese Entwicklung verschlafen und von den Kartellgesetzen verhindert. Inwieweit ausländische Anbieter zu Abgaben herangezogen werden können, wie es das FFG vorsieht, entscheidet die EU. Eine Antwort steht seit drei Jahren aus.
Der Etat der FFA wird daher wohl schrumpfen. Von derzeit 50 auf vielleicht 40 Millionen Euro. Mit dem Papier der Expertenkommission beginnen die Verteilungskämpfe. Sie empfiehlt unter dem Deckmäntelchen des Modeworts Exzellenzförderung die Bevorzugung des Etablierten, in dem sie das FFG wieder auf Anfang setzt. 1967 sah es einzig und allein die Verteilung von Referenzmitteln vor. Was bekanntlich zur Folge hatte, dass die Schulmädchen-Reporte profitierten und Fassbinder leer ausging. Dessen Filme wurden vor allem vom Fernsehen finanziert.
In den folgenden Jahrzehnten kam dann die Projektförderung hinzu und in den Novellierungsrunden wurde um den Anteil beider Förderarten gerungen. Momentan gehen 60% des FFA-Haushalts in die Förderung neuer Projekte. Nach dem Willen der Expertenkommission sollen es künftig nur 15% sein. Weniger geht kaum. ARD und ZDF zahlen rund 8 Millionen an die FFA. Dieses Geld darf nicht in die Referenzförderung fließen. Die Aufhebung dieser gesetzlichen Vorgabe wird diskutiert. Da aber die kommerziell erfolgreichen Filme vor allem von Pro7Sat1 koproduziert werden und diese überproportional von der Referenzförderung profitieren, droht im schlimmsten Falle gar eine Quersubventionierung privater Sender durch Mittel des Gebührenzahlers. Oder der FFA eine riesige Rechenaufgabe.
Die kriteriengestützte Referenzfilmförderung, mit der künstlerische Qualität belohnt werden soll, soll nach den Plänen weiter eingedampft werden. In der letzten Novellierungsrunde fiel der Golden Globe raus, jetzt soll es die Prädikate der FBW treffen, die bis dato zu einer Halbierung der Mindestbesucherzahlen führten, bei der die Referenzförderung überhaupt einsetzte. Es bleiben dann neben den Festivals, deren Liste seit Jahren nicht verändert wurde und schon für den deutschen Markt nicht auf dem neuesten Stand ist, nur die Lola- und Oscar-Ehrungen. Sie werden von der Branche selbst vergeben. Das Urteil unabhängiger, von den Bundesländern entsandter Experten oder Filmkritikern wird zur Randnotiz degradiert.
Für den Nachwuchs, den Dokumentarfilm und alle Filmemacher, die mit viel Herzblut in ein Projekt investiert haben, dass dann aus welchen Gründen auch immer nicht der Film wurde, den alle am Anfang im Kopf hatten, sieht es durch die geringen Mittel für die Projektförderung künftig schlecht aus. Das ist vor allem ein Nachteil für kleine, unabhängige Firmen.
Außerdem könnte der Vorschlag zu einer Konzentration der Mittel auf die finanzstarken Förderländer führen, die schon jetzt überproportional profitieren. NRW, Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg und die Vertragsländer der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM). Länder mit kleiner oder ohne Filmförderung wie das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz werden noch weiter von der filmischen Landkarte verschwinden - schon heute sind die Abgaben der Filmtheater aus Mecklenburg und Vorpommern höher als die Mittel, die für Drehs dorthin zurückfließen. Dieser Trend wird sich verstärken, wenn die FFA-Mittel nicht mehr da sind, die als einzige örtlich flexibel einsetzbar sind.
Ein No-Go sollte für den Vorschlag gelten, dass die Produzenten künftig von der Pflicht befreit werden, selbst Eigenmittel in ein Projekt einzubringen. Das geht für Debüts und Firmen in den Anfangsjahren. Dies geht aber nicht unter dem Aspekt, dass sich die Produzenten wünschen, bis zu 500.000 Euro in fünf Jahren aus der Referenzfilmförderung für die Erhöhung ihres Stammkapitals einsetzen zu können.
Andere Vorschläge sind zu begrüßen. Dass die Mittel aus der Referenzfilmförderung künftig nicht mehr ausschließlich als Zuschüsse, sondern hälftig als bedingt rückzahlbare Darlehen auszuzahlen sind. Dies soll und könnte zu einer Erhöhung des Topfes insgesamt führen.
Natürlich ist die Reduzierung der Gremien der FFA und deren Besetzung mit Experten zu begrüßen. Auch am Willen, endlich den Drehbüchern eine höhere Aufmerksamkeit zu schenken, ist nichts auszusetzen. In diese Richtung denkt auch Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien.
Zu kritisieren ist die Halbherzigkeit dieses Vorschlags, der die an anderen Stellen viel beschworenen Eigenverantwortlichkeit des Produzenten und ihrem Wunsch, als Urheber anerkannt zu werden, widerspricht. Nur 4% des künftigen FFA-Etats soll für die Schlüsselposition Drehbuch reserviert werden, bei 50 Millionen sind dies zwei Millionen Euro. In einem zweistufigen Verfahren soll ungefähr die Hälfte der Summe für die Entwicklung von einer Vielzahl von Projekten ausgeschüttet werden. Ausgewählt werden sie – endlich – von Experten. Diese wählen aus diesem Pool dann acht bis zehn Bücher pro Jahr, die mit bis zu 100.000 Euro pro Buch bis zur Drehreife entwickelt werden. Ob dies der Autor alleine schafft oder welche Hilfe er und der Produzent sich dabei suchen, wird allerdings nicht ihrer Entscheidung überlassen. Die Experten bleiben als Berater und Kontrolletties an Bord. Es entsteht eine hauptamtliche Bundesdramaturgie-Kommission.
Hier ist sicher das letzte Wort nicht gesprochen. Der Entwurf zielt darauf ab, den Schwerpunkt der Förderung noch intensiver in Richtung Wirtschaft zu treiben und ist über das Ziel hinausgeschossen. Er fließt jetzt in den Referentenentwurf des FFG ein, den das Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM) im Herbst vorlegen will. Wichtigkeit hoch wie man hört.
Link: www.ffa.de (Filmförderungsanstalt)
Glossar: *Referenzfilmförderung ist eine Herstellungsförderung für Filmproduktionen. Voraussetzung für diese Filmförderung ist, dass der Hersteller eines programmfüllenden Kinofilms einen künstlerisch oder wirtschaftlich erfolgreichen Referenzfilm vorweisen kann.