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Wird Satire zum "No-Go" für Amerikas Filmwirtschaft?

Auch Ersatz für gestrichenen Sony Film wurde zurückgezogen. (UPDATE)



Der Hack-Angriff auf Sony ist mittlerweile sogar für das »Weiße Haus« in Washington/USA zur ernsthaften Angelegenheit nationaler Sicherheit geworden. Die massive Cyberattacke auf Sony hatte es bereits im November 2014 gegeben. Filme wurden geleakt, interne Mails veröffentlicht und sensible Firmendaten gestohlen. Der jetzige Angriff auf den japanischen Filmkonzern, der erst am 16. Dezember 2014 offiziell bekannt gemacht wurde, übertrifft aber wohl alle bisherigen Cyberattacken auf Konzerne.

Vergleich mit dem 11. September 2001.
Für Sony war es nicht leicht, klein beizugeben, und die zum 1. Weihnachtsfeiertag geplante Premiere des Films "The Interview" zurückzuziehen. In der Satire geht es um ein Attentat auf Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un. Das Stadtmagazin „Time Out“ nennt „The Interview“ eine Kreuzung aus Charly Chaplins „Der große Diktator“ und Quentin Tarantinos „Inglorious Basterds“. Hier der Teaser:



Somit wurde der Kinostart von Sony Pictures auch erst abgesagt, nachdem sich die Mehrzahl der US-Kinoketten von den Hackern bedroht fühlten und den Film am 25.12.2014 nicht mehr zeigen wollten.

"Die Welt wird voller Furcht sein", schrieben die Hacker und verglichen ihre Pläne mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Niemand solle dem Kino, in dem die Premiere stattfinden sollte, zu nahe kommen. Wer in der Gegend wohne, solle lieber sein Haus verlassen. Menschen, die Spaß an der Darstellung von Terrorismus hätten, erwarte ein trauriges Schicksal.

Auch eine Petition für den Film, die von George Clooney initiiert wurde, konnte die Filmtheater nicht mehr umstimmen. Darin hieß es:

"Dies ist nicht nur ein Angriff auf Sony. Es betrifft jedes Studio, jeden TV-Sender, jedes Unternehmen und jeden Einzelnen in diesem Land. Wir wissen, dass ein Nachgeben jeder Gruppe Tür und Tor öffnen würde, die die Meinungsfreiheit, die Privatsphäre und die persönliche Freiheit bedroht. Wir hoffen, dass die Hacker zur Rechenschaft gezogen werden. Aber bis dies geschieht, sollten wir keine Angst haben. Wir werden zusammenhalten."

Doch aus dem Zusammenhalt wurde nichts. Auch die von der US-Kinokette Alamo Drafthouseals als Alternative zu "The Interview" geplante Wiederaufführung des Marionettenfilms "Team America: World Police"" wurde von Paramount Pictures untersagt und darf nicht wieder in die US-Kinos. Die Politsatire der "South Park"-Macher Trey Parker und Matt Stone aus dem Jahre 2011 nimmt den Vater des jetzigen nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, Kim Jong-il, aufs Korn und sollte im Capitol Theatre in Cleveland am 25.12.2014 gezeigt werden. Hier der Trailer:



Die Terrordrohungen und die darauf erfolgte Absage der Columbia-Produktion „The Interview“ ist ein bisher einmaliger Vorgang und beschäftigt sogar den Präsidenten von Amerika.

Wie der Pressesprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, erklärte, sei der Sony-Hack eine "ernsthafte Angelegenheit nationaler Sicherheit" und man überlege sich derzeit "angemessene Antwort". Es habe viele Meetings im Weißen Haus gegeben und man ziehe aktuell einige Optionen in Betracht. Auch einen Cyber-Gegenangriff gegen diejenigen, die hinter der Attacke auf Sony stecken, schloss Earnest nicht aus. "Es gibt eindeutige Anzeichen, dass wir es hier mit zerstörerischen Aktivitäten mit heimtückischen Absichten zu tun haben, die von einem sehr wortgewandten Handelnden ausgeführt werden", so Earnest, der allerdings nicht bestätigten wollte, dass Nordkorea hinter der Cyberattacke steht - was man in der Hauptstadt Pjöngjang übrigens verneint. "Ich bin nicht in der Position, jede Art von Zuordnung in dieser Angelegenheit zu bestätigen."

FBI hat angeblich Beweise gegen Nordkorea.
Es gebe genügend Informationen, die diesen Rückschluss erlauben, da Ähnlichkeiten zwischen der verwendeten Schadsoftware und früheren Cyberattacken entdeckt wurden, die Nordkorea zugeschrieben werden, so die US-Bundespolizei FBI.
Die Hacker selbst haben das FBI inzwischen für ihre »exzellenten Ermittlungsergebnisse« verspottet und ein »Geschenk für das FBI« verlinkt - das zu einem YouTube-Video mit dem Titel »Du bist ein Idiot« führt.



Einige Sicherheitsexperten halten die vermeintlichen Beweise gegen die vermeintliche nordkoreanische „Hacker-Einheit 121“ laut Neowin nicht für besonders aussagekräftig, da beispielsweise die auf Nordkorea verweisenden IP-Adressen leicht gefälscht sein könnten. Auch das renommierte Technologie-Magazin „Wired“ kommt zu dem Schluss, dass es keine stichhaltigen Beweise für eine Beteiligung Nordkoreas gebe. Zwar wurden einige der Hacker-Codes auf einem Computer mit koreanischer Spracheinstellung geschrieben. „Wired“ zufolge kann dies jedoch ein für Hacker typisches Ablenkungsmanöver sein, man solle dies deshalb nicht überbewerten.

Die Reaktion von Sony Pictures wird kontrovers diskutiert.
Die Kunst ist frei, auch die Satire. Zumindest solange die Bedrohung nicht zu ernsthaft wird – oder die Angst zu groß, denn Anschläge auf Kinos wegen missliebiger Filme hat es schon öfter gegeben. Zu den bekanntesten Fällen gehört der Brandanschlag auf das Pariser Kino St. Michel 1988, das „Die letzte Versuchung Christi“ von Martin Scorsese zeigte. Überall auf der Welt warfen erzkonservative Katholiken dem Film Blasphemie vor, in Paris kam ein Zuschauer ums Leben. 2012 erschoss ein Amokläufer bei der Mitternachts-Preview von Christopher Nolans Batman-Film „The Dark Knight Rises“ in Aurora, Colorado, zwölf Menschen und verletzte mehr als 70 weitere. Die US-Premiere wurde abgesagt, auch die Premieren in Frankreich, Mexiko und Japan wurden von Warner Bros. gecancelt.

Über vorauseilende Rücksicht, die mangelnde Verteidigung der Meinungsfreiheit und die Angst als schlechter Motor wurde schon öfter erbittert gestritten. Freiheit oder Sicherheit: Darum ging es auch 1989 bei der Fatwa gegen Salman Rushdies „Satanische Verse“, 2005 beim Karikaturenstreit und 2006 in Berlin, als die damalige Intendantin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, Hans Neuenfels’ „Idomeneo“-Inszenierung wegen Sicherheitsbedenken klammheimlich absetzte. Nach heftigen Protesten gegen die voreilige Selbstzensur kam die Oper wieder auf den Spielplan –mit der Szene, in der Buddha, Jesus und Mohammed der Kopf abgeschlagen wird.

Am Mittwoch, den 17.12.2014, hielt sogar US-Präsident Obama die Absetzung noch für eine falsche Entscheidung. Die Terrordrohungen bezeichnete er als „nicht glaubwürdig“. Diktatoren im Ausland dürften nicht in der Lage sein, amerikanische Medien zu zensieren, hieß es in Washington. „Zum jetzigen Zeitpunkt empfehle ich, dass die Leute ins Kino gehen sollen“, sagte der US-Präsident im TV-Sender ABC. Dennoch will Obama jetzt prüfen, ob Nordkorea wieder auf die Liste der Terrorstaaten aufgenommen werden sollte. Immerhin sei die bei dem Angriff verwendete Infrastruktur samt Werkzeuge identisch mit denen, die bereits in einem Cyberangriff auf Südkorea 2013 verwendet wurden.

Sony erklärte derweil, dass man den Film noch nicht abgeschrieben habe und noch veröffentlichen wolle. Wenn nicht im Kino, dann eben als DVD und VOD. Allerdings habe sich bisher keiner der großen Video-on-Demand-Anbieter bereit erklärt, dies zu tun.

(UPDATE vom 23.12.2014)
Mehrere unabhängige Kinos in den USA wollen die Politsatire "The Interview" nun doch ab dem ersten Weihnachtsfeiertag zeigen. Eine nachträgliche Meldung vom 23.12.2014 besagt, dass Sony eine beschränkte Veröffentlichung bereits genehmigt hat und den Film für ein Kino in Texas und eines in Georgia wieder frei gibt.

(NACHTRAG vom 26.12.2014)
Mehr als 300 Kinos zeigten "The Interview" am 25.12.2014 von Los Angeles bis New York und bescherten dem Film volle Kinosäle.

Quellen: Blickpunkt:Film | Tagesspiegel | Süddeutsche.de | Game Star | dpa | Golem

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