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Streit um Mindestlohn auch bei Film & Fernsehen

ver.di fordert: Keine Ausnahmen vom Mindestlohn zulassen!



Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) bekräftigt ihr "Nein" zur Ausnahme vom Mindestlohn. Die Forderung der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen (Produzentenallianz) und anderer Film-, Fernseh- und Kulturverbände, Praktika vom geplanten gesetzlichen Mindestlohn auszunehmen, wurde sowohl von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion, als auch von den Gewerkschaften eine Absage erteilt. Trotz heftigen Streits hinter den Kulissen setzt sich Bundesarbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) für die konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrages mit einem flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde ohne Ausnahmen ein.

Aktuell hatte der Deutsche Kulturrat das Vorhaben, bei Praktika ab sechs Wochen Dauer den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde zu bezahlen, kritisiert.

Dessen Geschäftsführer Olaf Zimmermann erklärte dazu: "Wir wenden uns entschieden gegen die Ausnutzung von Stellensuchenden im Kultur- und Medienbereich sowie den Ersatz regulärer Arbeitskräfte durch Praktikanten. Doch dürfen die besonderen Bedingungen des Kultur- und Medienbereiches bei einer gesetzlichen Mindestlohnregelungen für Praktika nicht aus dem Auge verloren werden. Praktika sind im Kultur- und Medienbereich sinnvolle Möglichkeiten, um die Berufswirklichkeit und verschiedene Berufsfelder kennenzulernen. Das gilt in besonderem Maße für Studierende von geisteswissenschaftlichen Fächern, deren Studium nicht unmittelbar auf eine berufliche Tätigkeit ausgerichtet ist. Viele Kultur- und Medieneinrichtungen sind aber schlicht nicht in der Lage Praktikanten einen Lohn von 8,50 Euro pro Stunde zu bezahlen. Um den massenhaften Wegfall von Praktikumsplätzen in unserem Bereich zu verhindern, fordern wir, den flächendeckendenden gesetzliche Mindestlohn für freiwillige Praktika erst nach drei Monaten einzuführen."

Dem Widerspricht ver.di und fordert auf der Seite von connexx.av, dem Filmverband in ver.di, keine Ausnahmen vom Mindestlohn zuzulassen.

"Gerade in dem bei jungen, oftmals hoch qualifizierten Menschen als Berufsfeld angestrebten Kultur- und Medienbereich sind schlecht oder unbezahlte Langzeit-Praktika heute die Regel", kontert der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, weshalb die Forderung des Deutschen Kulturrates entschieden abzulehnen sei.

Bereits im vergangenen Monat hatte die Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen eine Ausnahme für Praktika in der Film- und TV-Branche vom geplanten Mindestlohn gefordert. Dazu erklärt Alexander Thies, Vorsitzender des Produzentenallianz-Gesamtvorstands:

"Die äußert angespannte wirtschaftliche Lage der deutschen Produktionswirtschaft lässt es schlicht nicht zu, dass Nachwuchskräfte in der Ausbildung so bezahlt werden wie Arbeitnehmer in anderen Branchen, denn... Praktikanten sind keine normal Beschäftigten. Auch wenn sie in der Produktion wichtige Funktionen haben, befinden sie sich in der Lernphase und können genauso wenig nach Mindestlohn bezahlt werden wie Auszubildende in anderen Branchen."

Weiter heißt es: "Das Modell ‚Generation Praktikum‘, nach dem junge Menschen oft über Jahre von einem Praktikum zum nächsten wechseln, ist in der professionellen Filmproduktion keine Option. Daher haben wir einen sehr pragmatischen Vorschlag gemacht, wie Mitarbeiter nach einer maximal einjährigen Praktikumsphase für den Gesamtzeitraum in eine Bezahlung nach dem Mindestlohn eintreten sollen."

Diese Meinung hat allerdings kontroverse Reaktionen hervorgerufen und wird an den Sets und in den sozialen Medien heiß diskutiert. Der Wunsch der Filmwirtschaft eine Ausnahmeregelung für Praktikanten einzuführen, wird durch zahlreiche Erfahrungen und Einschätzungen über das Praktikantenwesen in Filmproduktionen konterkariert, denn viele Praktikantinnen und Praktikanten beim Film ersetzen die Assistentenstellen, nicht die Ausbildung.

Auch wenn Praktikanten-Tätigkeiten, die über die zwölf Monate hinaus gehen, in einer Weise zu entgelten sind, dass der Mindestlohn über die Dauer von zwei Jahren insgesamt nicht unterschritten wird, sehen Kritiker den Vorschlag der Produzentenallianz als Lohndumping an, da das Interesse der Film und Fernsehwirtschaft darin besteht, Praktikantinnen und Praktikanten, die für den Zeitraum von bis zu sechs Monaten bei einem Unternehmen oder von bis zu zwölf Monaten bei maximal zwei Unternehmen derselben Branche tätig sind, nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen zu lassen. Dass die Berufsausbildung im Film- & Fernsehbereich als regelrechte ‚Lehre‘ – im Gegensatz zu anderen Branchen – ausnahmslos über das Praktikum geschieht, stimmt ebenfalls nicht, denn es gibt neben zahlreichen praxisorientierten Studiengängen an Filmhochschulen weitere Aus- und Weiterbildungsinstitute, die in diesem Bereich sogar mit staatlich geprüftem IHK-Abschluss werben. Zu diesen Ausbildungsberufen gehören u.a. die Film- und Videoeditoren, Kameraassistenten, Regieassistenten, Aufnahmeleiter oder Produktionsleiter.

ver.di hatte ebenfalls diesen Vorstoß der Produzentenallianz scharf kritisiert: "Obwohl Praktikantinnen und Praktikanten beim Film über viele Monate und mit hohem Engagement Leistung erbringen, will die Produzentenallianz die Betroffenen ohne auch nur halbwegs angemessene Bezahlung abspeisen. Aus Sicht der Filmwirtschaft ist das ein attraktives Geschäftsmodell - für die Betroffenen jedoch ein unerträgliches Ausmaß an fehlender Wertschätzung für ihre Arbeit. Und es ist zu befürchten, dass dann in den Produktionsfirmen und am Film-Set noch mehr Praktikantinnen und Praktikanten eingesetzt werden", so Werneke.

Pläne der Bundesregierung:
Der Mindestlohn soll ab 1. Januar 2015 für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeglicher Branchen gelten. Abweichungen sieht die gesetzliche Regelung nur für klar eingegrenzte Gruppen vor.

Darunter fallen:
• Jugendliche unter 18 Jahren und ohne Berufsabschluss: So soll verhindert werden, dass Jugendliche anstatt einer Ausbildung einen Job ergreifen, in dem der Mindestlohn gezahlt wird.
• Auszubildende
• ehrenamtlich Tätige
• Pflichtpraktika und Praktika von bis zu sechs Wochen, die einen Ausbildungs- oder Studienbezug haben.
• Langzeitarbeitslose, die länger als 12 Monate ohne Beschäftigung waren und in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen, haben in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung keinen Anspruch auf den Mindestlohn.

Die Bundesregierung wird zum 1. Januar 2017 prüfen, ob diese Ausnahme die Chancen auf einen Arbeitsplatz verbessert hat oder nicht. Beschäftigte, für die ein Tarifvertrag gilt, erhalten den Tariflohn.

Quellen: ver.di | connexx.av | Blickpunkt:Film | Produzentenallianz | Deutscher Kulturrat

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