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7. William Dieterle Filmpreis - Ludwigshafen

William Dieterle Filmpreis für Klaus Stanjeks "Klänge des Verschweigens".



Alle drei Jahre findet im Ernst-Bloch-Zentrum die feierliche Verleihung des Ernst-Bloch-Preises der Stadt Ludwigshafen statt, der für "herausragendes wissenschaftliches oder literarisches Schaffen mit philosophischer Grundhaltung" vergeben wird. Bisherige Preisträger waren unter anderem Pierre Bourdieu, Eric J. Hobsbawm und zuletzt Avishai Margalit. Ebenfalls zuständig ist das Ernst-Bloch-Zentrum für die Vergabe des William Dieterle Filmpreises, der diesmal an eine Dokumentarfilmproduktion von Klaus Stanjek aus Potsdam-Babelsberg geht.

Ernst Bloch ist ein berühmter Sohn der Stadt Ludwigshafen. Ihm zu Ehren hat die Stadt 1997 das Ernst-Bloch-Zentrum gegründet, das seit 2000 in der ehemaligen Direktorenvilla der Walzmühle direkt am Rheinufer zu Hause ist. Das Programm des Ernst-Bloch-Zentrums wird von der Stiftung Ernst-Bloch-Zentrum und Drittmitteln finanziert - als öffentliche Einrichtung ist es damit ein gutes Beispiel für Public Private Partnership.

Die Veranstaltungen im Ernst-Bloch-Zentrum bringen große Namen nach Ludwigshafen - und untersuchen die Gegenwart auf Zukunftsfähigkeit. Bei "Talk bei Bloch" wird live diskutiert, bei "Autoren bei Bloch" wird Gegenwartsliteratur präsentiert und bei Konzerten und Sonderausstellungen arbeitet die Muse, die vielleicht stärkste utopische Kraft. Mit dem Schülerwettbewerb "Geist der Jugend" ist das Ernst-Bloch-Zentrum seit 2012 dabei, verstärkt Kinder und Jugendliche für philosophisches Denken zu begeistern. Wissenschaftliche Tagungen, Seminare und Vorträge richten sich an ein Fachpublikum, sind aber auch stets für die Öffentlichkeit zugänglich.

Im Mittelpunkt des diesjährigen Projektes steht die Biographie des Sängers und Pianisten Wilhelm Heckmann. Er war ausgebildeter Konzertsänger und trat seit 1923 bis in die Sechziger Jahre hin in ganz Deutschland und der Schweiz auf. In seiner eigenen Familie wurde er allerdings als das „schwarze Schaf“ behandelt. Der Dokumentarfilmer Klaus Stanjek, der heute am 18. Oktober 2013 mit dem William Dieterle Filmpreis ausgezeichnet wird, begibt sich mit dem detektivischen Musikfilm "Klänge des Verschweigens" in die jüngere deutsche Vergangenheit und nähert sich durch das Aufblättern eines Familiengeheimnisses tabubelasteten Zeiten wie weißen Flecken auf einer historischen Landkarte. Hier der Trailer:



Der Initiator des Projektes und Autor des Dokumentarfilms, Klaus Stanjek, ist der Neffe von Willi Heckmann. Für seine Doku "Klänge des Verschweigens" recherchierte Klaus Stanjek zehn Jahre lang, denn die Familie versuchte das Schicksal seines Onkels zu verheimlichen.

Aus der Begründung der Jury:
"Klänge des Verschweigens" hat uns berührt. Wegen seiner filmischen Qualitäten und seiner inhaltlichen Brisanz schlagen wir ihn einstimmig für den William Dieterle Preis 2013 vor. Klaus Stanjek erzählt ungewöhnlich offen und mutig über seine persönliche Familiengeschichte die Mechanismen von Diskriminierung, Ausgrenzung, Vernichtung und jahrzehntelangem Verschweigen. Die sorgfältig und empfindsam gestaltete Musikebene, mit Beispielen des Repertoires von Klaus Stanjeks Onkel Willi, und die sehr persönliche Textebene wird ergänzt durch eine hervorragende Mischung von aktuellen Bildern, Archivmaterialien und ausdrucksstarken, wie entlarvenden Familiengesprächen.

Man spürt die Zuneigung des Regisseurs zu seiner Hauptfigur, die ihn über Jahre hinweg antreibt das Dickicht aus Verschweigen, Halbwahrheiten und Unterstellung in der eigenen Familie zu lichten. Über ebenso unermüdliche, wie tief gehende Fragen entsteht eine gleichzeitig spannungsreiche und schmerzliche Geschichte, die exemplarisch den Muff und die unzureichende Erinnerungsbereitschaft in unzähligen deutschen Familien spürbar macht
."

Das Berliner Kino Moviemento in Kreuzberg (Kottbusser Damm 22) zeigt den Film noch folgenden Tagen:
• 21.10.13 – 16:30 Uhr
• 22.10.13 – 15:15 Uhr
• 23.10.13 – 11:00 Uhr

Inhalt:
Das „schwarze Schaf“ unserer Familie war mein Onkel – ein fröhlicher Unterhaltungsmusiker, der über fünf Jahrzehnte lang in ganz Deutschland auftrat. Ausgebildet als Konzertsänger („Lyrischer Tenor“) und Pianist hatte er ein breites Repertoire anspruchsvoller Arien, Chansons und romantischer Lieder bis zur Unterhaltungsmusik aus den UFA-Filmen und populären Schlagern.Mit der Gleichschaltung durch die NS-Kulturpolitik und parallel zur Ausgrenzung „entarteter Musik“ zeigten die NS-Kulturpolitiker Sympathie für seine Musik und förderten ihn – z.B. mit Hilfe des NS-Kampfblattes „Das Deutsche Podium“.

Seine bisexuelle Orientierung wurde ihm in der Zeit der verschärften Homosexuellenverfolgung (1936 + 1937) jedoch zum Verhängnis. Nach Denunziation und Verhaftung wurde er (unter bisher ungeklärten Umständen) 1937 ins KZ – Dachau deportiert, später von da ins KZ Mauthausen. Trotz der extrem harten Umstände (langjährige Arbeit im Steinbruch, Bunkerhaft, Rosa-Winkel-Kennzeichnung) konnte er bis zum Kriegsende und der Befreiung überleben. Vermutlich hat seine besondere Musikalität sein Leben gerettet, als Musiker eines Lagertrios und späterer Mitwirkender des Gefangenenorchesters wurde er als Funktionshäftling behandelt und hat leichtere Aufgaben übertragen bekommen.

Erst als ich 40 war, erfuhr ich fast zufällig, dass er schwul war und wegen seiner sexuellen Orientierung 8 Jahre in KZ’s verbracht hatte (Dachau und Mauthausen). Aber wieso hatte er überlebt? Und warum war mir das so lange verheimlicht worden?

Im Zuge meiner langwierigen Recherchen entdeckte ich, dass meine Mutter als 19-Jährige zwar vom KZ-Aufenthalt ihres Bruders wusste, aber sich dennoch für ihre Karriere beim BDM entschied, dass auch in so brutalen Konzentrationslagern wie Mauthausen turbulente Feste möglich waren – unter Beteiligung meines Onkels, und dass meine Heimatstadt Wuppertal, die sich so liberal und engagiert gab, einmal eine NSDAP-Hochburg war.

Wegen der aufgeladenen Familientabus war die Geschichte dieses Mannes nie offen zugänglich. Entsprechend basiert das Material des Films vor allem auf sekundären Quellen wie Erzählungen von Verwandten und Augenzeugen, meinen eigenen Erinnerungen, aufgespürten Dokumenten und auf vielen Fotos. Die aufgesuchten Schauplätze liegen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin, Tschechien und Österreich. Mit Mitteln der Bildbearbeitung werden wir einigen Fotos „Leben einhauchen“ – unter Betonung ihrer Subjektivität. Einige Animationssequenzen (digitale CutOutAnimationen u.a.) erzählen Begegnungen zwischen dem Onkel und seinem Neffen nach.

Meine Spurensuche, meine überraschenden Begegnungen, die Auswertung der Fundstücke und meine Schilderungen führen den Zuschauer in die belastete, widersprüchliche Vergangenheit der deutschen Sozialgeschichte. Und machen die Dynamiken des Verdrängens und Verdrehens der Wahrheit emotional nachvollziehbar. Wobei Musik fundamental beteiligt wird – zur seelischen Entlastung und imaginären Befreiung.

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Der Sonderpreis geht an Katinka Zeuner für "Jalda und Anna - Erste Generation danach".

Die Verleihung findet am 18. Oktober um 19.30 Uhr im Rahmen der Eröffnung der IX. Festspiele Ludwigshafen im Gläsernen Foyer im Theater im Pfalzbau statt.

Ernst-Bloch-Zentrum
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Kulturmanagement
Walzmühlstraße 63
67061 Ludwigshafen am Rhein
Web: www.bloch.de
Links: www.geist-der-jugend.bloch.de | www.klaenge-des-verschweigens.de

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