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Starke Regiefrauen bei osteuropäischen Filmfestivals

News und Gewinner von Filmfestivals in Sarajewo, Karlovy Vary und Odessa.



Erst kürzlich machte Kiew in der Ukraine mit der Fußball EM 2012 der UEFA Schlagzeilen - nun wurde in Gegenwart von Geraldine Chaplin mit Charlie Chaplins Klassiker “Lichter der Großstadt” das 3. Odessa International Film Festival am Schwarzen Meer eröffnet. Vom 13. bis 21. Juli 2012 möchte die größte Hafenstadt der Ukraine das noch junge, aufstrebende Festival gern als das Cannes des Ostens etablieren, sagt die Direktorin Viktoria Tigipko.

Mit dieser dritten Ausgabe sind wir das Festival mit der stärksten Publikumspräsenz. Wir haben vor, die größte Veranstaltung dieser Art in ganz Osteuropa werden. Dafür müssen wir natürlich noch einiges tun. In diesem Jahr erwarten wir über einhundert Tausend Zuschauer, das war das Ziel, das wir uns gesetzt hatten.”

Die nunmehr schon fast traditionelle Filmvorführung auf der berühmten Potemkin-Treppe neben dem Opernhaus von Odessa ist selbst ein wichtiger Teil der Kinogeschichte. Glamouröse Stimmung herrschte auch auf der Eröffnungsparty im Palais Royal und Hollywoodstar Cillian Murphy, bekannt unter anderem aus dem Science-Fiction-Thriller “Inception” an der Seite von Leonardo DiCaprio, stellte in Odessa zwei neue Filme vor, die in diesem Sommer in den europäischen Kinos anlaufen werden.

In “Broken”, dem Spielfilmdebüt des britischen Theater-Regisseurs Rufus Norris, ist Murphy als junger Lehrer zu sehen. Der Film wurde allerdings schon auf dem vergangenen Festival von Cannes vorgestellt, in der Nebenreihe Semaine de la Critique. Der zweite Film, in dem Murphy mitspielt und der in Odessa vorgestellt wurde, ist der Thriller “Red Lights” vom Spanier Rodrigo Cortés. Sigourney Weaver und Robert de Niro gehören ebenfalls zum Cast.

Nicht nur Perlen aus Hollywood bietet das Filmfestival in Odessa, sondern auch einen Einblick in die einheimische Kinoproduktion. In diesem Jahr gibt es erstmals einen speziell dem ukrainischen Film gewidmeten Wettbewerb auf dem der renommierte ukrainische Dokumentarfilmer Sergey Bukovsy seinen neuen Streifen “Ukraine: Starting Point” zeigen wird. Der Film befasst sich mit der Unabhängigkeit des Landes vor 20 Jahren, mit der Epoche des Übergangs. Ein Streifen mit politischer Botschaft, 20 Jahre nach der Unabhängigkeit in dem viele Zeitzeugen zu Wort kommen und einen Einblick in zum Teil unbekannte Aspekte der jüngsten Geschichte geben.

Für uns Berliner, deren Stadt 40 Jahre lang geteilt war, sind nicht nur für ein Großteil der ehemaligen DDR Bewohner die osteuropäischen Filmfestivals zum Teil bedeutender als manch Festival der westlichen Welt, von denen sie jahrzehntelang abgeschnitten waren. Polnische, russische und auch tschechische Filme haben darüber hinaus eine lange, bedeutende Filmtradition, die künstlerisch hervorragende Filmproduktionen geschaffen hat, aber außer auf Festivals leider viel zu selten Einzug in unsere Kinos erlangt.

Zudem war Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin des Medienboards Berlin-Brandenburg, in der diesjährigen OIFF-Jury vertreten.

NACHTRAG:
Der Film “Backstreet Champions” des ukrainischen Regisseurs Akhtem Seytablaev gewann den nationalen Wettbewerb. Im internationalen Wettbewerb ging der »Golden Duke Award« - Hauptpreis des Publikums, dotiert mit 15.000 $ - an "Broken" von Rufus Norris, der schon die diesjährige Semaine de la Critique beim Festival de Cannes eröffnet hatte. Diverse Ausschnitte des Films sind hier auf YouTube zu sehen.



Link: oiff.com.ua/en/index.htm




Letztes Wochenende ging auch das 18. Sarajevo Film Festival zu Ende. Vom 6.-14. Juli 2012 fand das jährlich stattfindende internationale Filmfestival wieder in der Hauptstadt der Föderation von Bosnien und Herzegowina statt. Das ebenfalls noch recht junge Festival war 1995 noch während der Belagerung durch die Serben gegründet worden. Dennoch konnte bereits das erste Festival, bei dem 37 Filme aus 15 Ländern gezeigt wurden, 15.000 Zuschauer anziehen. Mittlerweile ist es mit seiner regionalen Spezialisierung auf osteuropäische Länder beim internationalen Filmproduzentenverband FIAPF akkreditiert. Im internationalen Wettbewerb liefen anfänglich ausschließlich Filme aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Rumänien, Serbien, Slowenien sowie (seit 2006) Ungarn. Der Hauptpreis des Festivals ist das Herz von Sarajevo (Srce Sarajeva), das an den besten Film vergeben wird.

Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Festival letzte Woche zuteil, als Angela Jolie und Brad Pitt zusammen mit drei ihrer sechs Kinder für einen Tag auf dem Festival eintrafen, um für Cinema for Piece zu werben. Im April war Jolie zur Ehrenbürgerin von Sarajevo für ihren Film "In the Land of Blood & Honey" ernannt worden, die sie nun entgegen nahm. An diesem Tag, dem 17. Jahrestag des Massakers von Srebenica, wurde der internationale Wettbewerb ausgesetzt. Dafür wurden Spezialprogramme zum Thema Menschenrecht gezeigt. Hier der Trailer.



Zur 18. Ausgabe des Festials standen diesmal über 200 Filme aus 27 Ländern auf dem Programm. Bereits in den ersten vier Tagen waren vier von neun gezeigten Filmen von Frauen gedreht worden, während bei der letzten Cannes Ausgabe im Mai 2012 keine einzige Regisseurin unter den 22 Wettbewerbsfilmen zu finden war. Auch der Eröffnungsfilm "Djeca - Children of Sarajevo" über zwei Kriegskinder, die ihre Eltern verloren haben, wurde von einer Frau gedreht. Der stille, ernste Film von Aida Begic wurde mit dem Preis der »Besten Darstellerin« (Marija Pikic) ausgezeichnet. Auch der Wettbewerbsthriller "Ustanicka ulica" des serbischen Regisseurs Miroslav Terzic beschäftigt sich mit der jüngeren Vergangenheit. Sein Hauptdarsteller (Uliks Fehmiu), der den untergetauchte Micun einer paramilitärischen Serben-Einheit darstellt, wurde mit dem Preis des »Besten Darstellers« geehrt.

Das "Herz von Sarajevo" für den »Besten Film« ging an den rumänischen Regisseur Radu Jude für "Everybody in Our Family". Das eskalierende Drama um ein geschiedenes Paar und seine fünfjährige Tochert bestach bereits im Forum der Berlinale 2012 für seine emotionale Glaubwürdigkeit und seine dichte, kammerspielhafte Atmosphäre. Einen Preis gab es auch für den österreichischen Regisseur Florian Flicker. Flickers Spielfilm "Grenzgänger" wurde vom Internationalen Verbands der Filmkunsttheater (CICAE) mit dem sogenannten "Art Cinema Award" ausgezeichnet. Sein Film basiert auf einem Dreiecksdrama von Karl Schönherr und spielt an der ehemals stark bewachten Grenze zwischen Österreich und der Slowakei.

Link: www.sff.ba




Die dritte der aktuellen osteuropäischen Filmfestivals, das renommierte 47. Karlovy Vary Internationale Film Festival im ehemaligen Karlsbad unseres tschechischen Nachbarlandes, hat seine Preise bereits vor gut einer Woche verliehen.

Vom 29.-7. Juli 2012 fand das diesmal in unseren Medien kaum berücksichtigte Filmfestival statt und damit leider parallel zum stärker beachteten Filmfest München. Doch mit seiner 47. Ausgabe gehört es zu den bedeutenden, großen, alteingeführten Filmfestivals und gilt sogar als zweitwichtigstes A-Festival in Mitteleuropa, das nur ausgewählte hohe Filmkunst im Spannungsbogen zwischen Ost und West zeigt.

Immerhin wurde mit dem Film "PRACTICAL GUIDE TO BELGRADE WITH SINGING AND CRYING" des Regisseurs Bojan Vuletić u.a. mit Jean-Marc Barr, Julie Gayet und Baki Davrak die internationale Premiere der serbisch-deutsch-französischen Koproduktion im Wettbewerb der Reihe „East of the West“ gefeiert. Das junge Leipziger Unternehmen (TR9 Film) des deutschen Produzent Oliver Röpke hat sehr viel Energie in das Debüt des Belgrader Regisseurs gesteckt und freute sich über die Einladung zum Festival.

Den Hauptpreis gewonnen haben die Norweger Martin Lund und Henrik Rafaelsen" mit The Almost Man". Sie überzeugten die Jury und wurden mit dem Kristallglobus (25.000 Dollar) prämiert. Der Film ist das Porträt des Mitte-Dreißiger Henrik - eines Thirtysomething - der trotz der bevorstehenden Geburt seines ersten Kindes damit hadert, ein erwachsenes Leben zu führen und, um sich die Illusion unbeschwerter Jugendlichkeit zu bewahren, seine Unsicherheit hinter ironischen Bemerkungen versteckt.

Hauptdarsteller Henrik Rafaelsen wurde zudem als bester Schauspieler ausgezeichnet. Er teilt sich den Preis allerdings mit dem Polen Eryk Lubos. Lubos bekam den Preis für seine Rolle in Jakub Kolski`s “To kill a beaver”. Ein Film über einen Mann, der mit alten Erinnerungen konfrontiert wird und sich auf einen scheinbar grundlosen Rachefeldzug begibt. Überhaupt war Polen in Karlovy Vary 2012 mit neun Beiträgen sehr stark vertreten. Einige dieser Filme wurden im eigenen Land auf Festivals allerdings abgelehnt!

Als beste Schauspielerin wurde die Iranerin Leila Hatami ausgezeichnet – für ihre Rolle in “The Last Step”. Regie führte ihr Ehemann Ali Mosaffa. In dem Film spielt Leila Hatami vor allem sich selbst – einen schönen und talentierten iranischen Filmstar.

In der Kategorie “East of the west” gewann der ukrainische schwarz-weiß Film “House with a turret”. In dem Film erzählt Eva Neymann eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Streifen spielt an einem Wintertag in der Sowjetunion. Durch die Augen eines kleinen Jungen erleben die Zuschauer eine Gesellschaft ausgezerrt von Krieg und Hunger. Betäubt vom allgegenwärtigen Tot und unbeeindruckt vom Leiden der Anderen.

Der Preis für den Besten Dokumentarfilm ging an Ilian Metevs “Sofias Last Ambulance”. Ein Streifen über eine überarbeitete Krankenwagenbesatzung.

Den zusätzlich vergebenen Kristallglobus für außergewöhnliche Verdienste um das internationale Kino erhielt die Oscar-Preisträgerin Susan Sarandon ("Die Hexen von Eastwick").

Link: www.kviff.com/en/news


For our English readers: The brand new Nisimazine Special Karlovy Vary is now online. You can gather further information about the festival in the third edition of NISI MASA Magazine (Venice Orizzonti, Rotterdam Shorts and now Karlovy Vary East of the West) by quickly clicking onto the picture on the left.


Quellen: euronews | Tagesspiegel | Wikipedia | Stern | NISI MASA


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