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Beim Fußball - Spiel mit falschen Mediazahlen

König Fußball lies Kino-Besucherzahlen in den Keller fallen und beflügelte ARD und ZDF.



Als im letzten Monat Juni 2012 der Fernsehabend von der UEFA Fußball-EM in Polen und der Ukraine bestimmt war, holten sich ARD und ZDF, wie kaum anders zu erwarten war, mit klarem Vorsprung die Plätze eins und zwei bei den Einschaltquoten - zumindest beim Gesamtpublikum.

Die Sender ProSieben und das konkurrierende Unternehmen RTL beanspruchen dagegen jeweils für sich, zu gleicher Zeit, die meisten jungen Fernsehzuschauer gehabt zu haben. Doch das Spiel mit den Einschaltquoten ist leicht zu durchschauen, wenn ein Parameter nicht mehr stimmt und mit den Zahlen versucht wird ein wenig zu schummeln.

Eigentlich werden fast alle Erhebungen von der AGF/GfK Fernsehforschung in Nürnberg durchgeführt und kommen somit aus einer einzigen Quelle. Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) und Konsumforschung (Gfk) ist der Zusammenschluss der Sender ARD, ProSiebenSat.1 Media AG, Mediengruppe RTL Deutschland und ZDF zur gemeinsamen Durchführung und Weiterentwicklung der kontinuierlichen quantitativen Fernsehzuschauerforschung in Deutschland.

Um jedes Umschalten, Abschalten oder evtl. Verlassen des Raumes zu registrieren, sind in einigen hundert Haushalten Geräte mit Bewegungsmelder installiert. Auf Basis der Auswertungen dieser Erfassung wird das Nutzerverhalten der wenigen erfassten Haushalte auf die gesamt Bevölkerungszahl hochgerechnet, um eine halbwegs verlässliche Zahl der Einschaltquoten zu bekommen. Nicht mit eingerechnet sind jedoch TV-Betrachtungen über Smartphones und iPads oder ähnliche neue Errungenschaften, die das Gleichgewicht der Erhebungen tatsächlich empfindlich stören könnten. Außerdem veröffentlicht jeder Sender aus den von der GfK herausgegebenen Zahlen letztendlich andere Variablen, um sich selber besser dastehen zu lassen.

Im Allgemeinen beziehen sich alle veröffentlichte Angaben auf die werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen erwachsenen Fernsehzuschauer. Doch die 14- bis 17-jährigen sind noch nicht erwachsen, sondern gehören zu den sogenannten jungen Zuschauern. Deshalb kann mit diesen Angaben getrickst werden:

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:

RTL schreibt: Trotz EM war RTL mit einem Marktanteil von 13,6 Prozent auch im Juni der beliebteste Sender beim jungen Publikum (14 bis 49 Jahre). Auf den Plätzen folgten ARD (11,9 %), ZDF (11,3 %), ProSieben (9,9 %), Sat.1 (8,5 %) und VOX (6,8 %).

ProSieben konterte: Trotz EM war ProSieben mit einem Marktanteil von 18,0 Prozent im Juni mit deutlichem Abstand Marktführer bei den jungen Zuschauern (14 bis 29 Jahre).

Quelle: OTS news aktuell vom 1.7.2012 (ein dpa Unternehmen)

Der eine Sender (RTL) sagt junges Publikum und meint bis 49 Jahre, während der andere Sender (ProSieben) von jungen Zuschauern spricht und nur jene bis 29 Jahre einschließt. Dadurch kommen natürlich unterschiedliche Zahlen zustande, bei denen jeweils der eigene Sender am Besten abschneiden kann.

Übertragen lassen sich solch kleine Schummeleien auch auf die große Politik, wenn es um Wahlanalysen und Wähleranalysen geht. Für uns im Filmbereich ist aber nur interessant, wieviele Zuschauer nicht vor dem Fernsehgerät saßen, sondern ins Kino gingen - und das waren sehr wenige. Aber auch hier gibt es Variablen, denn wer einen Fernsehabend für die Fußball-EM zu Hause plant, ist beim Einkauf der Getränke und Snaks leicht gewillt, sich auch noch ein oder zwei Filme auf DVD (bzw. Blu-ray Disc) für die Stunden des Wartens vor dem Spiel oder danach in der Videothek an der Ecke zu besorgen.

Gesellige Filmabende vor großem Flatscreen werden tatsächlich bei Jugendlichen zunehmend beliebter, sodass die Film-Majors schon jetzt Überlegungen anstellen, einige Filme gar nicht mehr ins Kino zu bringen, sondern gleich nur noch auf Datenträgern für den Hausgebrauch zu veröffentlichen. Zumindest eine zeitgleiche Veröffentlichung ist schon in absehbarer Zukunft - zum Leidwesen aller Kinobetreiber - vorstellbar.

Dass das Kinofenster bald fallen wird, bestätigte auch Time-Warner-Chef Jeff Bewkes kürzlich in einer US-Talkshow, denn die Kinolust bei jungem Publikum sinkt trotz 3D-Filmen dramatisch. Näheres ist in unseren Artikeln vom 18. Mai 2012 und 26. Juni 2012 nachzulesen.

TV-Monatsmarktanteile: Fußball-EM
Platz eins der meisgesehenen TV-Sender belegte übrigens das zuletzt etwas kriselnde Erste, das sich im Vergleich zum Vormonat um 4,7 Prozentpunkte auf einen Marktanteil von 15,9 Prozent steigern konnte. Platz zwei ging an das Zweite, das 3,4 Prozentpunkte zulegte und einen Marktanteil von 15,5 Prozent erzielte. RTL büßte beim Gesamtpublikum im Vergleich zum Vormonat 1,3 Prozentpunkte ein, war aber mit einem Marktanteil von 10,6 Prozent immer noch zweistellig. Aufgrund eines Minus' von 1,6 Prozentpunkten rutschte Sat.1 mit einem Marktanteil von 8,9 Prozent in den einstelligen Bereich. ProSieben büßte im Monatsvergleich einen Prozentpunkt ein und musste mit einem Marktanteil von 5,2 Prozentpunkte Vox vorbeiziehen lassen, der 0,4 Prozentpunkte verlor und auf einen Marktanteil von 5,3 Prozent kam.

In der Gesamtbetrachtung relativieren sich also ganz schnell die etwas vorschnell veröffentlichten Prognosen der Privatsender. In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen büßte RTL zwar im Vergleich zum Mai 1,7 Prozentpunkte ein, lag aber dennoch deutlich vor der ARD und dem ZDF.

Telekom will Zuschauer ausspionieren!
Auch die Telekom möchte wissen, was an ihrem Angebot "Entertain" gefällt - und dafür die Sehgewohnheiten ihrer Abonnenten über die Settop-Box ihrer IPTV-Sparte aufzeichnen. Doch darf sie das?

Für die Telekom Marktstrategen könnte es von Nutzen sein, zu erfahren, was genau ihnen am kostenpflichtigen Angebot der Telekom gefällt, welche Sendungen sie sehen, und wann sie die TV-Geräte an- und wieder ausschalten. Die Erhebung der Nutzungsdaten sollen ab dem 16. Juli 2012 in jedem Fall durchgeführt werden. Wer an der Erhebung nicht teilnehmen will, könne die Funktion an seinem Media Receiver selbstständig deaktivieren. Hierzu habe man mit der Kundeninformation eine Handlungsanweisung per e-Mail oder in einigen Fällen per Brief verschickt.

Aus Sicht von Thilo Weichert, dem Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein, sei das Vorgehen des Unternehmens, wahrscheinlich ein Verstoß gegen das Telekommunikations-, in jedem Fall aber einer gegen das Telemediengesetz. Unklar ist nur, welches Gesetz dafür einschlägig ist, je nachdem, ob man das Angebot von T-Entertain als klassisches Fernsehprogramm betrachtet oder als Telekommunikationsanwendung. Das müssen Experten klären, so Weichert. Seiner Meinung nach reiche ein reiner Verweis auf das Widerrufsrecht bei letzterem nicht aus. Weichert fürchtet vielmehr, die Telekom könnte die Daten möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zweckentfremden und zu Werbezwecken nutzen, was die Telekom derzeit noch vehement bestreitet.

Quellen: ots - news aktuell | Blickpunkt:Film | Süddeutsche Zeitung


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