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Nur alle fünf Jahre - Die dOCUMENTA [13] in Kassel

Bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst weltweit eröffnet.



Die bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst weltweit - die dOCUMENTA - findet vom 09. Juni bis 16. September 2012 nur alle fünf Jahre in Kassel statt und in den einhundert Tagen werden mehr als 150 Künstler aus 55 Ländern wieder mehrere hunderttausend Besucher zu begeistern versuchen. Carolyn Christov-Bakargiev, US-Amerikanische Kunsthistorikerin mit italienisch-bulgarischen Wurzeln, die zuletzt die Biennale in Sidney geleitet hat, ist die künstlerische Leiterin der dOCUMENTA und setzte das inzwischen bekannte Ritual - nichts vorab verlauten zu lassen - konsequent um, sodass wieder zahlreiche Spekulationen im Umlauf waren, wer von den international bekannten Künstlern an der Ausstellung teilnehmen wird.

Zu den Kunstwerken gehören Skulptur, Performance, Installation, Forschung, Archivierung und kuratorische Projekte, Malerei, Fotografie, Film und Video, Text- und Audio-Arbeiten, aber auch andere Objekte und Experimente auf dem Gebiet der Kunst, Politik, Literatur, Philosophie und Wissenschaft. Künstler aus der ganzen Welt werden zusammenkommen und vielfältige künstlerische Praktiken täglich von 10:00 - 20:00 Uhr präsentieren und darunter auch Kino zeigen.

Aus Bruchstücken etwas Neues schaffen – das ist ein zentrales Thema dieser 13. dOCUMENTA. Nach den Worten der künstlerischen Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev geht es um „Zusammenbruch und Wiederaufbau“. Kaum ein Ort könnte dafür geeigneter sein als das kriegszerstörte Kassel - im Spannungsfeld zwischen Politik und Poesie. Eine Metapher der Wiederherstellung schuf auch die Schöpferin des Schmetterlingsgartens, Kristina Buch. "Der soll den Schmetterlingen gefallen, nicht den Menschen." Damit kommt die Künstlerin, die aus Düsseldorf stammt und sowohl Biologin als auch Theologin ist, mit den sich verpuppenden und verwandelnden Faltern, dem allumfassenden, aber recht speziellen Ansatz von Lebendigkeit der diesjährigen dOCUMENTA-Chefin sehr entgegen. Die Natur ist in der Kasseler Kunstausstellung nämlich omnipräsent: Der chinesische Künstler Song Dong lässt einen Müllberg mit Pflanzen überwuchern, in der Karlsaue wurde ein kleiner Korbiniansapfelbaum gepflanzt – als lebendes Kunstwerk und der Franzose Pierre Huyghe legt eine Kompostierungsanlage an – auch das ein Kunstwerk. Einen traurigen Vogel, der hoch oben fliegt und auf Marionetten heraubschaut, die die Geschichte der Kreuzzüge aus Sicht der Araber nachspielen, präsentiert der ägyptische Videokünstler Wael Shawky im Untergeschoss der Neuen Galerie. Ein Ereignis, das jeden sofort an die jüngsten blutigen Aufstände im Nahen Osten erinnert.

Die künstlerische Leiterin der diesjährigen documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, stellt sogar Menschen und Hunde auf eine Stufe und bringt damit ein Wahlrecht für Tiere und Pflanzen ins Gespräch:
„Auch Hunde denken! - Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen Frauen und Hunden oder zwischen Männern und Hunden. Alles habe seine Kultur. Die kulturelle Produktion der Tomatenpflanze ist die Tomate. Ihre rote Farbe ist eine Form von Intelligenz, die uns mit Ihrer Ästhetik anspricht."

Natürlich folgt auch die Kunst nicht nur hehren Intentionen und Ideen; auch sie unterliegt vitalen Interessen, materiellen Notwendigkeiten, Systemlogiken und Zufällen, wie der Wuchs einer Tomate, wenn man es denn zuspitzen will. Dass die neue Documenta-Chefin, zur Eröffnung ihrer Großausstellung, mal eben den Unterschied zwischen Kunst und Natur vom Tisch zu wischen versucht, das macht auf jeden Fall neugierig.

Doch am Ende muss man wünschen, dass die dOCUMENTA [13] einen Unterschied zwischen der Kunst und dem Rest der Welt erkennt. Wenn nicht, könnten wir in Zukunft statt der Documenta auch einfach nur die Kasselaner Mülleimer bestaunen, schreibt die OZ.

Kassel ist außerdem der Wirkungsort der Gebrüder Grimm, und fast scheint es, als wolle die dOCUMENTA daran anknüpfen. Sie erzählt diesmal spannende, teils unglaubliche Geschichten. Zum Beispiel von Mohammad Yusuf Asefi, der in Kabul 80 Gemälde rettete, indem er heimlich die darauf dargestellten Menschen und Tiere mit Wasserfarbe übermalte, weil die Taliban sie sonst zerstört hätten. Später konnte er die Farbe einfach wieder abwaschen, schreibt der Focus.

Ärger dagegen gab es vom kirchlichen Kunstexperten Andreas Mertin. Er warf der Leitung der 13. Documenta totalitäres Denken vor. Indem die Documenta-Chefin allen anderen Institutionen nahelege oder sie zwinge, auf Kunstpräsentationen während der Ausstellung zu verzichten, versuche sie, ihren Diskurs totalitär durchzusetzen, schreibt er in einem Beitrag für das Internetmagazin „Tí  katoptrizómena“. Mertin war Kurator der Begleitausstellung „Vision-Audition“ der evangelischen Kirche zur Documenta 2007. In diesem Jahr hatte die evangelische Kirche kurzfristig auf eine Begleitausstellung des Bonner Künstlers "Gregor Schneider" verzichtet, um den „Konflikt zu begradigen“. Dagegen wird die Ausstellung „Stephan Balkenhol“, die die katholische Kirche parallel zur Documenta zeigt, nicht abgebaut. Die Documenta-Chefin kritisierte die Ausstellung öffentlich als einen Eingriff in die Freiheit der Documenta.

Künstler aus Berlin, die möglicherweise auf der dOCUMENTA ausstellen, wurden im Vorfeld nicht bekannt gegeben. Doch nun ist die Künstlerliste veröffentlicht worden und darunter befindet sich auch der in Berlin lebende Franzose Kader Attia. Seine Installation nimmt den Betrachter sofort gefangen. Er hat in einem raffiniert ausgeleuchteten Raum entstellte Holzköpfe aufgebaut. Damit gelingt es ihm - auch wenn man nichts darüber weiß - dass der Betrachter unwillkürlich an Kolonialverbrechen in Afrika denkt. Zusammen mit Büchern und Fotografien lässt das Werk ein wahres Assoziationsgewitter im Kopf losbrechen – so etwas vermag fast nur die Kunst, oder der Film.

Drei weitere Künstler, die auf der dOCUMENTA (13) mit Projekten vertreten sind, haben für den TV-Sender 3sat eine filmische Adaption ihres Werkes geschaffen: der südafrikanische Künstler William Kentridge (nachfolgend ein Ausschnitt), der israelische Videokünstler Omer Fast und der deutsche Künstler Clemens von Wedemeyer. In 3sat sind die drei Experimentalfilme als Finissage zum Ende der dOCUMENTA am 15. September 2012 zu sehen. Als Medienpartner der dOCUMENTA (13) berichtet "3sat-Kulturzeit" außerdem jeden Montag in Da-Da-Documenta, ab 19:20 Uhr, Aktuelles aus Kassel.



Übrigens in keiner anderen Großstadt Europas leben mehr Künstler als in Berlin. Mit über 400 Galerien übertrumpft die Hauptstadt sogar London oder Paris und gehört zu den wichtigsten Kunstmesseplätzen Europas, wenn nicht sogar der Welt. Der Senat von Berlin hat daher beschlossen - gleich zum Ende der dOCUMENTA - vom 11. - 16. September 2012, die sich in Deutschland aufhaltenden Künstler noch einmal nach Berlin einzuladen. Dazu wird mit der BERLIN ART WEEK eine neue Messe veranstaltet, die alle künstlerischen Kräfte bündeln soll und zugleich als zukünftiger Ersatz für das von der Messegesellschaft leider eingestellte ART FORM BERLIN dienen wird.

dOCUMENTA
Eintrittspreise:
1 Tag: 20 Euro (14 Euro ermäßigt); 2 Tage: 35 Euro (25 Euro ermäßigt)
Dauerkarte: 100 Euro; Familienkarte: 50 Euro

Ausstellungsorte:
Brüder-Grimm-Museum; Bunker im Weinberg; documenta-Halle; Gloria-Kino mit Bali-Kino; Grand Hotel Hotel Hessenland; Karlsaue; Kaskade-Kino; KulturBahnhof; Hugenottenhau; Museum Fridericianum; Neue Galerie; Ottoneum; Orangerie; Ständehaus.

Links:
d13.documenta.de
www.kassel.de/kultur/documenta/12513
www.fridericianum-kassel.de
Quellen: Focus | Neue OZ | artinfo 24 | OTS - news aktuell | dapd | 3sat | nwz


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