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Das Urheberrecht - ein ständiger Zankapfel (update)

Filmregisseur Dietrich Brüggemann mahnt zu Mäßigung bei den Streitgesprächen.



Der Berliner Regisseur Dietrich Brüggemann (36) hat sich im Berliner Tagesspiegel am 7. April 2012 zu seinen Erfahrungen als Künstler mit dem Urheberrecht geäußert und appelliert zugleich an alle Beteiligten nicht in Hysterie zu verfallen, sondern alle Seiten, die positiven wie und negativen Begleiterscheinungen, vorher genauer zu betrachten. Ein längerer Artikel seines Beitrages ist auch unter www.d-trick.de/blog nachzulesen.

Künstler wie Brüggemann sind vielseitig und haben im Laufe der Jahre sich oftmals nicht nur auf Film konzentriert, auch wenn es einer seiner Spezialgebiete ist, sondern fotografieren, schreiben Drehbücher, machen Musik und drehen Musikvideos. Somit kommen die Künstler oft mit mehreren Verwertungsgesellschaften in Berührung, nicht nur mit der GEMA.

Nach unserem Artikel über Filehoster im Visier der GEMA und der Filmindustrie vom 26. März 2012 ist dies bereits der zweite Beitrag in kurzer Zeit, der sich mit dem Urheberrecht befasst. Anlass sind Diskussionen, die fälschlicherweise nicht nur durch die Piratenpartei im Internet die Diskussionen über das Urheberrecht hochkochen lassen. Mitnichten sind die Piraten allein der Buhmann, wenn es darum geht, eine Lanze für das Urheberrecht zu brechen. Auch Teile der etablierten bürgerlichen Parteien, wie der FDP, warnen vor allzu restriktiver Behandlung des geistigen Eigentums. Das geplante Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA Abkommen, wurde von Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Bundesministerin für Justiz (FDP), zunächst auf Eis gelegt. Und auch an der Vorratsdatenspeicherung äußert die Ministerin Bedenken. Laut Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums wäre jeder Aufruf einer Webseite, das Einloggen bei Facebook und E-Mail-Diensten, das Schreiben von Kommentaren und auch Downloads nachverfolgbar.

Insgesamt verschaffte diese FDP-Aktion der «Stopp ACTA» Online-Platform gegen das geplante plurilaterale Handelsabkommen und den Anonymous Demonstraten mit den
Guy-Fawkes-Masken gegen das ACTA-Abkommen nochmals den von ihnen erhofften Auftrieb.



Was aber nicht heißt, dass sich die FDP prinzipiell gegen Regelungen für das geistige Eigentum im Internet wendet, wie uns ein Landesbeauftragter der FDP aus Brandenburg im Telefoninterview erläuterte.

So wirft Guido Westerwelle (FDP) der Piratenpartei vor, mit ihren Positionen zum Urheberrecht die deutsche Außenpolitik zu gefährden: "Wenn wir den Schutz des geistigen Eigentums in unserem eigenen Land infrage stellen, können wir anderswo auf der Welt kaum glaubwürdig für die Einhaltung des Urheberrechts kämpfen", sagte der Bundesaußenminister dem Handelsblatt am 16. April 2012.

Die Piraten konterten sofort und unterstellten dem Bundesaußenminister, er könne Urheberrecht und Patent- und Markenrechte nicht auseinanderhalten.

Tatsächlich ist die Partei der Piraten nicht prinzipiell gegen allgemeine vernünftige Regelungen und somit für eine moderne Reform des Urheberrechts, die das Internet stärker berücksichtigt. Nur das gegenwärtige Copyright nervt fürchterlich. In seinem Artikel schreibt Dietrich Brüggemann, welche Vorteile und Chancen dagegen oftmals eine Creative-Commons-Lizenz hätte, um unbekannten Künstlern die Möglichkeit zu geben, mit dem im Netz populären Verträgen der Öffentlichkeit Nutzungsrechte einzuräumen, um dadurch selbst bekannter zu werden. Die Alltagswelt, in der wir leben und von der ja die Künstler im Film erzählen wollen, besteht immer mehr aus urheberrechtlich geschützten Dingen. Nicht einmal "Happy Brithday" darf man in einem Film singen lassen, ohne mit der GEMA Streit zu bekommen.

Dabei machen es sich durch Verbote, Verfügungen und gerichtliche Abmahnungen die Firmen selber gegenseitig schwer. Samsung gegen Apple, Motorola gegen Microsoft. Eine Unzahl von produzierten Geräten muss in einigen Ländern vorübergehend vom Markt genommen werden, weil ungeklärte Lizenzbeschwerden gegen angebliche Produktpiraterie vorliegen. Helfen tut es wenig. So ist die alteingesessene Firma Kodak, obwohl sie im Besitz zahlreicher, wertvoller Patente ist, in die Insolvenz geschlittert, denn Rechtsstreitigkeiten dauern lange und werden manchmal erst nach Ablauf eines Patentes gelöst.

Scheinbar ist immer der Andere schuld, wenn es um den eigenen Misserfolg geht. Tatsächlich spielen globale wirtschaftliche Interessen eine große Rolle und jeder Einzelne ist zumeist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Die Politik sollte zwar dazu die Rahmenbedingungen vorgeben, doch tun sie sich mit einer vernünftigen Gesetzgebung häufig schwer, sodass dies widerum den Ärger der Bürger auf sich ziehen kann. Gegendemonstrationen und Politikverdrossenheit der Wähler sind die Folge, bei denen letztendlich den Politikern die Schuld am Versagen gegeben wird. Doch diese werden von den Wirtschaftslobbyisten beeinflusst, sodass sich der Kreis wieder schließt.

Interessant ist im Zusammenhang mit Politikverdrossenheit der Bürger ist ein Artikel unter www.reformclub.eu zu finden, in dem harte Kritik an Patrick Döring, dem neuen Generalsekretär der FDP geäußert wird. Der Autor war übrigens bis Ende 2010 Geschäftsführer des BAF e.V. .

"Es ist an der Zeit, die Oligarchie der Deppen durch die Tyrannei der Masse zu bekämpfen", heißt es darin.

Auch wenn es in dem Artikel nicht um Urhebergesetze geht, sondern um die Haltung der Herzlos-Partei im Fall der Schlecker Pleite, so beschreibt diese Meinung doch ziemlich genau, was von den sogenannten Vertretern des Volkes in der Politik zumeist falsch gemacht wird, wenn diese sich zu sehr den Lobbyisten unterwerfen und Abscheu vor Basisdemokratie heucheln.

Deutsche Filmakademie veranstaltet Podiumsdikussion.

Zurück zum Urheberrecht, das nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Die Deutsche Filmakademie veranstaltet deshalb am Donnerstag, den 26. April 2012 eine Podiumsdiskussion zum Thema Urheberrecht zwischen Kunst und Politik.

Am Tag vor der Filmpreis-Verleihung – dem Welttag des geistigen Eigentums übrigens – werden im Hí´tel Concorde (Augsburger Straße 41, 10789 Berlin) Mitglieder der Deutschen Filmakademie auf Vertreter verschiedener politischer Parteien treffen. Von 14.00 bis 16.00 Uhr diskutieren der Filmemacher, Autor und Schauspieler Simon Verhoeven, der Produzent Martin Moszkowicz und der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer mit Malte Spitz (Mitglied im Bundesvorstand der GRÜNEN, Bruno Kramm (Musiker und Mitglied der Piratenpartei, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Siegfried Kauder (Vorsitzender des Rechtsausschusses sowie dem SPD-MdB Siegmund Ehrmann (Ausschuss für Kultur und Medien) über ein Problem, das für die Zukunft der Kunst und der Kreativität von existenzieller Bedeutung ist.

Zu dieser Diskussion sind alle, die es angeht und alle, die es interessiert, herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.

U P D A T E

Ein Gerichtsurteil von heute, 20.04.2012 stärkt die Rechtsicherheit von Urhebern beim Schutz ihres geistigen Eigentums. Die Videoplattform YouTube muss prüfen, was sie verbreitet, berichtet Die Welt online hier in einem Video der Agentur dapd.



In dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Hamburger Landgerichts gewinnt die Gema in einer ersten Etappe gegen YouTube. Das Internet-Portal muss Filter einbauen, um künftig das Hochladen von Material zu verhindern und darf keine Videos zu Musiktiteln mehr bereitstellen, bei denen die Musik-Verwertungsgesellschaft Gema Urheberrechte geltend gemacht hat.

Das Gericht befand zudem, dass die Google-Tochterfirma eine sogenannte Störer-Haftung habe, also für das Verhalten seiner Nutzer mitverantwortlich gemacht werden könne. Im Ergebnis darf Google nicht ohne Einverständnis der Rechteinhaber Musik- (und andere) Videos über sein Portal im Internet zur Verfügung stellen und sich dabei hinter den Nutzern verstecken. Nachdem ein vorläufiger Vertrag zwischen der Verwertungsgesellschaft und YouTube 2009 ausgelaufen war und sich beide Seiten nicht auf eine Nachfolgeregelung einigen konnten, reichte 2010 die Gema Klage ein. Die Richter verhängten bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von im Einzelfall bis zu 250.000 Euro. YouTube kann gegen das Urteil Revision beim Oberlandesgericht Hamburg einlegen.

Sollte sich die im jüngsten Urteil erkennbare Tendenz bestätigen, könnten die politischen Folgen dieser Rechtsprechung einschneidend sein. Endverbraucher und die europaweit vernetzte Piratenpartei müssten ihre Meinung zu kostenlosen Downloads und der unentgeltlichen Bereitstellung von Musik im Internet revidieren.

Weitere ausführliche Infos zum Urteil im Tagesspiegel vom 21.04.12 hier und hier.

Quellen: Tagesspiegel | Bild.de | FDP | Handelsblatt | Deutsche Filmakademie | Welt


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