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Mehr Kinoerfolg im All-Age-Sektor

Kinokultur ist nicht planbar, aber nachahmbar.



Die Zeiten, in denen das junge Publikum der 16 - 30-Jährigen den Hauptumsatz an der Kinokasse machten, ist offensichtlich vorbei. Diese Meinung vertritt auch Hajo Schäfer, Festivalleiter von achtung berlin - new berlin film award, dem Filmfestival aus unserer Region Berlin-Brandenburg, das bis zum 25. April 2012 in diversen Berliner Festspiel-Kinos lief. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen durch den Pillenknick ab der ersten Hälfte der 1960er Jahre, durch den die geburtenstarken Jahrgänge zurückgegangen sind, zum anderen wegen neuer Interessengebiete, welche die Jugend von heute in vielseitigen Multimedia-Anwendungen entdeckt hat.

Vor etlichen Jahren gab es noch keine Smartphones, auf denen an jedem Ort Video gesehen und sogar mit den Geräten selbst produziert werden kann. Das schnelle Internet ermöglicht Streaming von Filmen ohne Wartezeiten. Die Qualität der Videos, die zu Hause auf den heimischen Breitbild-Fernseher in High-Definition und sogar in der dritten Dimension gesehen werden kann, erlangt fast Kinofeeling. Das Ausleihen einer DVD oder in noch höherer Qualität einer Blu-ray-Disc kostet nur einen Bruchteil einer Kinokarte. Familien mit Kindern, die oft mit dem Geld sparsam umgehen müssen, werden immer seltener gemeinsam im Kino gesehen.

Doch dafür hat das Kino die ältere Generation wiederentdeckt. Filme wie "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie, "Pina" von Wim Wenders "Wolke Neun" von Andreas Dresen, Michael Hanekes "Das Weiße Band" oder ganz aktuell "Ziemlich beste Freunde" aus Frankreich locken neuerdings ein Filmpublikum jenseits der 30er und 40er, der sogenannten Generation 50plus scharenweise ins Kino, was vor einigen Jahren noch undenkbar war. Allerdings stellen ab dem Jahr 2000 die 50- bis 60jährigen auch den größten Bevölkerungsanteil, während die Besucherzahlen des "klassischen" Kinopublikums zwischen 16 und 29 Jahren stagnieren.



Die Filmkunsttheater zeigen sich jedoch gewappnet, mit Aktionen und speziellen Angeboten versuchen auch die Ketten, das ältere Publikum neu zu erschließen. Während von der Generation 50plus vor einigen Jahren nur ausgesprochene Cineasten ins Kino gingen und vornehmlich die Filmfestivals besuchten, hat sich inzwischen das Bild gewandelt. Laut einer Studie der Filmförderungsanstalt (FFA) stieg in der Gruppe der 50- bis 59jährigen zwischen 1991 und 1997 der Besucheranteil immerhin von 3,6 Prozent auf 7,1 Prozent. Schon 1997 etwa lockten Filme wie "Jenseits der Stille", "Der englische Patient" oder "Rossini" viele Ältere ins Kino. Dadurch konnten die Multiplexe den Besucherrückgang von fast 11% wieder fast ausgleichen.

"Hollywood wird irgendwann aufhören müssen, zu 80 Prozent Actionfilme zu produzieren", kommentiert Adrian Kutter, Vorsitzender der Gilde deutscher Filmkunsttheater und Kinobetreiber in Biberach.

Mit aktuellen Filmen wie "Die Eiserne Lady" und "The Artist" hat auch Hollywood den neuen Trend entdeckt und 2012 genau diese Filme mit Oscars ausgezeichnet, denn tatsächlich stieg zwischen 1995 und 2010 die Zahl der über-50-jährige Amerikaner, die regelmäßig ins Kino gingen, um 68% an. Auch in Großbritannien wuchs der Anteil der über 45-Jährigen unter den regelmäßigen Kinogänger von 14% im Jahr 1997 auf 30% im Jahr 2008. Diese Zahlen spiegeln eine scharfe Verhaltensänderung.

Dennoch hat Medienmanager Herbert Kloiber, einer der wichtigsten Filmrechte Händler Deutschlands und Eigentümer der Tele München Gruppe (TMG) und des Concorde Filmverleihs, den Ankauf und Vertrieb von "Ziemlich beste Freunde" persönlich abgelehnt, verriet er dem Handelsblatt. Glück für den Senator-Verleih, der zugriff und sich mit dem Film aus der Krise bugsierte.

Fazit: Erfolg ist nicht planbar, nur nachahmbar.

Dass der Film so erfolgreich ist, könnte Paradigmen verändern. Längst peilen auch andere Filmproduzenten ältere Zielgruppen an. Echte Blockbuster brauchen alle Altersklassen. Und bislang war der All-Age-Sektor von jugendlichen Stoffen dominiert, die auch für Erwachsene attraktiv waren. Die Stars waren Teenies in Fantasy-Stoffen. Die Franzosen eröffnen den Gegentrend: Auch sie sprechen alle Generationen an, nun aber mit Themen aus der Realität und erwachsenen Helden. Und es klappt: Die Eltern gehen ins Kino, und die Kinder kommen mit! Immerhin hatte der Film im Schnitt seit seinem Start pro Tag etwas mehr als 100.000 Zuschauer angelockt.

Quelle: Blickpunkt:Film | Handelsblatt | Neue Osnabrücker Zeitung


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