When War Becomes Academic and Academics Go to War
Eine Veranstaltung der American Academy in Berlin in Zusammenarbeit mit der taz.
Seit geraumer Zeit bekommen wir regelmäßig Informationen der American Academy in Berlin geliefert, da unser BAF-Blog zunehmend international beachtet wird. Unter den vielen Veranstaltungen der Academy sind wir auf eine Filmveranstaltung bei der Tageszeitung in der Rudi-Dutschke-Straße ehemals Kochstraße gestoßen.
Dort wird morgen der Film
"Human Terrain" über US-Militärs gezeigt.
Der Film "Human Terrain" dokumentiert jüngste Versuche des US-Militärs, sich von Sozialwissenschaftlern beraten zu lassen - und ist ganz sicher kein Werbefilm für den Krieg. Im Anschluß an die Filmvorführung, dessen Premiere ebenfalls mit lebhafter Diskussion bereits am 8. Februar im Berliner Kino Babylon stattfand, wird Co-Director und Executive Producer James Der Derian anwesend sein und sich im taz Café den Fragen des Publikums stellen.
Der Dokumentarfilm "Human Terrain", von den Filmemachern David und Michael Udris und dem Professor für Internationale Politik, James Der Derian, stellt die Frage:
Im Jahr 2005 begann die US-Armee im Rahmen der aufkommenden Aufstandsbekämpfungsstrategien (Counterinsurgency) Anthropologen anzuwerben; das löste eine Debatte innerhalb der wissenschaftlichen Community aus. Steht ein solches Engagement mit dem Militär nicht im direkten Widerspruch zur Unabhängigkeit und Distanz des Wissenschaftlers? Andererseits: Wenn die Kenntnisse, die Anthropologen über fremde Kulturen beizutragen haben, dazu führen können, dass Kriege weniger blutig geführt werden, ist es dann nicht ihre Pflicht, daran mitzuwirken?
Der Film zeigt Ergebnisse dieses Engagements. In langen Sequenzen sehen wir US-Soldaten in speziellen Trainingszentren in den USA, wo ganze irakische Dörfer nachgebaut wurden. Irakischstämmige Zivilisten werden als Rollenspieler eingesetzt, sie sollen den Soldaten im Training vermitteln, wie sie vorzugehen haben - bei der Suche nach Aufständischen, bei Kampfeinsätzen in städtischer Umgebung, mittendrin in einer Zivilbevölkerung, von der sie nicht wissen, ob sie ihnen freundlich oder feindlich gesinnt ist. Sie sollen lernen, die Iraker als Menschen zu begreifen und zu respektieren - aber in einer Tonaufnahme aus dem Off äußern sich die Marines abfällig über die Gagen der irakischen Statisten.
Bing West, hohe Figur im Verteidigungsministerium unter Reagan, sagt: "Kann man Marines und Fallschirmjäger, von denen jeder weiß, dass sie harte Kerle sind, zu Diplomaten machen? Nein. Sie sind vor allem Killer. Wenn man sagt, ein Marine ist einer, der mit einem Gewehr umgeht - was tut man mit einem Gewehr? Man erschießt jemanden."
Der Film folgt der Geschichte eines der ersten Anthropologen, die sich auf die Zusammenarbeit mit dem Militär eingelassen haben. Michael Bahtia ging 2007 nach Afghanistan, nachdem er zuvor an Der Derians Institut geforscht hatte. Er wollte seine Ideen und Kenntnisse in die Praxis umsetzen, doch auch er zweifelte an seiner Entscheidung, die ihn gleichermaßen zum Fremdkörper in der Armee und in der wissenschaftlichen Community machte. Die nämlich hatte sich klar gegen ein solches Engagement gestellt.
Im November 2007 veröffentlichte die Amerikanische Anthropologie-Gesellschaft eine Erklärung, in der sie das Human Terrain System als "eine problematische Anwendung anthropologischer Expertise vor allem aus ethischen Gründen" ablehnte. Oder, wie es die Anthropologin Catherin Lutz im Film sagt: "Da ist diese verführerische Idee, dass wir in der Lage wären, in einer Krisensituation zu helfen. Aber ich denke, wir müssen einen Schritt zurückgehen und uns fragen: Helfen wobei? Wem? Um was zu tun? Was sind denn die Ziele von Krieg und Besatzung? Will die anthropologische Community denn dabei helfen?"
Als Michael Bahtia im Mai 2008 mit einem Militärkonvoi in Afghanistan auf eine Bombe fuhr, war er der erste Sozialwissenschaftler, der im Einsatz getötet wurde. Die Dreharbeiten hatten zu diesem Zeitpunkt längst begonnen, der Tod ihres Freundes und Kollegen Bahtia veränderte den Zugang der Filmemacher und den Film. Die Zerrissenheit Bahtias wurde die zentrale Achse des Films, Interviews mit seiner Familie kamen hinzu. Sinnsuche.
"Human Terrain" ist ein Porträt geworden, nicht nur von Michael Bahtia, sondern auch von einer US-Armee, die trotz ihrer militärischen Übermacht völlig verunsichert ist, wie diese noch immer neuen Kriege zu führen sind. Es ist ganz sicher kein Werbefilm für den Krieg - wie die meisten Intellektuellen auch in den USA lehnte etwa Der Derian, der in Deutschland an Diskussionen über den Film teilnimmt, den Irakkrieg von Beginn an ab - aber wir sehen doch mehr nachdenkliche und um neue Antworten bemühte Soldaten und Offiziere, als man gemeinhin glaubt.
Quelle: taz 08.02.2011
"Human Terrain"
When War Becomes Academic and Academics Go to War
Montag, 7. März 19:30 Uhr
taz-Café, Rudi-Dutschke-Straße 23
10969 Berlin
Free Entrance / Freier Eintritt
In Kooperation mit taz, die tageszeitung
American Academy in Berlin GmbH
Am Sandwerder 17-19
D-14109 Berlin, Germany
Link: www.americanacademy.de
--------------------
Filmwerkstatt Münster vertreibt Anti-Kriegsfilm
Der politische Dokumentarfilm hat es besonders schwer in die Kinos zu kommen, da er für die meisten Abspielhäuser ein finanzielles Risiko darstellt. Die Filmwerkstatt Münster wollte trotzdem eine breitere Öffentlichkeit für das Thema interessieren und brachte 2008 den deutschen Antikriegsfilm "CAMILO - Der lange Weg zum Ungehorsam" von Peter Lilienthal in die Kinos, nachdem er bereits auf dem World Film Festival in Montreal erfolgreich präsentiert worden war.
Am 12.09.2009 zeigte der der deutsch-französische Kultursender Arte den Film zu nächtlicher Stunde, den wir am gleichen Tag noch im BAF-Blog ankündigten. Auch unsere Filmkritik vom 17.03.08 beschäftigte sich mit dem sehenswerten Werk, dass jetzt endlich als DVD erhältlich ist, wie uns die Filmwerkstatt Münster mitteilte.
Darüber hinaus wurde Filmwerkstattmitglied Robert Kriegs neuer Film ‘Kinder der Steine – Kinder der Mauer’ über die Situation junger Menschen in den Palästinensergebieten am 20.02.2011 im Cinema-Münster in Anwesenheit des Regisseurs erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Und Filmwerkstattmitglied Horst Herz wurde mit zwei Filmen zu den 57. Kurzfilmtagen nach Oberhausen (5.-11. Mai 2011) eingeladen.
Zum 30jährigen Bestehen der Filmwerkstatt ist beim Berliner Revolver Verlag jetzt der Katalog zur gleichnamigen Filmreihe im filmclub erschienen:
T,O,U,C,H,I,N,G, Wahrnehmung und Film, Hrsg. von Carina Plath | Revolver Publishing, Berlin 2010, 17,- €
Kontakt und DVD-Bezug
Filmwerkstatt Münster
Gartenstr. 123
48147 Münster
Fon: 0251/230 36 21
Fax: 0251/230 36 09
Mail: film@muenster.de
Web: www.filmwerkstatt.muenster.de
Filmwerkstatt Münster neu: www.muenster.org/filmwerkstatt
Seit geraumer Zeit bekommen wir regelmäßig Informationen der American Academy in Berlin geliefert, da unser BAF-Blog zunehmend international beachtet wird. Unter den vielen Veranstaltungen der Academy sind wir auf eine Filmveranstaltung bei der Tageszeitung in der Rudi-Dutschke-Straße ehemals Kochstraße gestoßen.
Dort wird morgen der Film
"Human Terrain" über US-Militärs gezeigt.
Der Film "Human Terrain" dokumentiert jüngste Versuche des US-Militärs, sich von Sozialwissenschaftlern beraten zu lassen - und ist ganz sicher kein Werbefilm für den Krieg. Im Anschluß an die Filmvorführung, dessen Premiere ebenfalls mit lebhafter Diskussion bereits am 8. Februar im Berliner Kino Babylon stattfand, wird Co-Director und Executive Producer James Der Derian anwesend sein und sich im taz Café den Fragen des Publikums stellen.
The film examines the US military's Human Terrain System, which recruits social scientists to serve alongside soldiers on the front lines of America's wars in order to win "hearts and minds." Controversy erupts when academics embed with combat troops and the war comes home to the university. James Der Derian will discuss the film after the screening.
Der Dokumentarfilm "Human Terrain", von den Filmemachern David und Michael Udris und dem Professor für Internationale Politik, James Der Derian, stellt die Frage:
"Was verändert sich, wenn Sozialwissenschaftler die Armee bei der Kriegsführung beraten? Und was genau tun Armeen, wenn sie bei der Besetzung fremde Länder beraten?"Der Film verweigert sich einfachen Antworten.
Im Jahr 2005 begann die US-Armee im Rahmen der aufkommenden Aufstandsbekämpfungsstrategien (Counterinsurgency) Anthropologen anzuwerben; das löste eine Debatte innerhalb der wissenschaftlichen Community aus. Steht ein solches Engagement mit dem Militär nicht im direkten Widerspruch zur Unabhängigkeit und Distanz des Wissenschaftlers? Andererseits: Wenn die Kenntnisse, die Anthropologen über fremde Kulturen beizutragen haben, dazu führen können, dass Kriege weniger blutig geführt werden, ist es dann nicht ihre Pflicht, daran mitzuwirken?
Der Film zeigt Ergebnisse dieses Engagements. In langen Sequenzen sehen wir US-Soldaten in speziellen Trainingszentren in den USA, wo ganze irakische Dörfer nachgebaut wurden. Irakischstämmige Zivilisten werden als Rollenspieler eingesetzt, sie sollen den Soldaten im Training vermitteln, wie sie vorzugehen haben - bei der Suche nach Aufständischen, bei Kampfeinsätzen in städtischer Umgebung, mittendrin in einer Zivilbevölkerung, von der sie nicht wissen, ob sie ihnen freundlich oder feindlich gesinnt ist. Sie sollen lernen, die Iraker als Menschen zu begreifen und zu respektieren - aber in einer Tonaufnahme aus dem Off äußern sich die Marines abfällig über die Gagen der irakischen Statisten.
Bing West, hohe Figur im Verteidigungsministerium unter Reagan, sagt: "Kann man Marines und Fallschirmjäger, von denen jeder weiß, dass sie harte Kerle sind, zu Diplomaten machen? Nein. Sie sind vor allem Killer. Wenn man sagt, ein Marine ist einer, der mit einem Gewehr umgeht - was tut man mit einem Gewehr? Man erschießt jemanden."
Der Film folgt der Geschichte eines der ersten Anthropologen, die sich auf die Zusammenarbeit mit dem Militär eingelassen haben. Michael Bahtia ging 2007 nach Afghanistan, nachdem er zuvor an Der Derians Institut geforscht hatte. Er wollte seine Ideen und Kenntnisse in die Praxis umsetzen, doch auch er zweifelte an seiner Entscheidung, die ihn gleichermaßen zum Fremdkörper in der Armee und in der wissenschaftlichen Community machte. Die nämlich hatte sich klar gegen ein solches Engagement gestellt.
Im November 2007 veröffentlichte die Amerikanische Anthropologie-Gesellschaft eine Erklärung, in der sie das Human Terrain System als "eine problematische Anwendung anthropologischer Expertise vor allem aus ethischen Gründen" ablehnte. Oder, wie es die Anthropologin Catherin Lutz im Film sagt: "Da ist diese verführerische Idee, dass wir in der Lage wären, in einer Krisensituation zu helfen. Aber ich denke, wir müssen einen Schritt zurückgehen und uns fragen: Helfen wobei? Wem? Um was zu tun? Was sind denn die Ziele von Krieg und Besatzung? Will die anthropologische Community denn dabei helfen?"
Als Michael Bahtia im Mai 2008 mit einem Militärkonvoi in Afghanistan auf eine Bombe fuhr, war er der erste Sozialwissenschaftler, der im Einsatz getötet wurde. Die Dreharbeiten hatten zu diesem Zeitpunkt längst begonnen, der Tod ihres Freundes und Kollegen Bahtia veränderte den Zugang der Filmemacher und den Film. Die Zerrissenheit Bahtias wurde die zentrale Achse des Films, Interviews mit seiner Familie kamen hinzu. Sinnsuche.
"Human Terrain" ist ein Porträt geworden, nicht nur von Michael Bahtia, sondern auch von einer US-Armee, die trotz ihrer militärischen Übermacht völlig verunsichert ist, wie diese noch immer neuen Kriege zu führen sind. Es ist ganz sicher kein Werbefilm für den Krieg - wie die meisten Intellektuellen auch in den USA lehnte etwa Der Derian, der in Deutschland an Diskussionen über den Film teilnimmt, den Irakkrieg von Beginn an ab - aber wir sehen doch mehr nachdenkliche und um neue Antworten bemühte Soldaten und Offiziere, als man gemeinhin glaubt.
Quelle: taz 08.02.2011
"Human Terrain"
When War Becomes Academic and Academics Go to War
Montag, 7. März 19:30 Uhr
taz-Café, Rudi-Dutschke-Straße 23
10969 Berlin
Free Entrance / Freier Eintritt
In Kooperation mit taz, die tageszeitung
American Academy in Berlin GmbH
Am Sandwerder 17-19
D-14109 Berlin, Germany
Link: www.americanacademy.de
--------------------
Filmwerkstatt Münster vertreibt Anti-Kriegsfilm
Der politische Dokumentarfilm hat es besonders schwer in die Kinos zu kommen, da er für die meisten Abspielhäuser ein finanzielles Risiko darstellt. Die Filmwerkstatt Münster wollte trotzdem eine breitere Öffentlichkeit für das Thema interessieren und brachte 2008 den deutschen Antikriegsfilm "CAMILO - Der lange Weg zum Ungehorsam" von Peter Lilienthal in die Kinos, nachdem er bereits auf dem World Film Festival in Montreal erfolgreich präsentiert worden war.
Am 12.09.2009 zeigte der der deutsch-französische Kultursender Arte den Film zu nächtlicher Stunde, den wir am gleichen Tag noch im BAF-Blog ankündigten. Auch unsere Filmkritik vom 17.03.08 beschäftigte sich mit dem sehenswerten Werk, dass jetzt endlich als DVD erhältlich ist, wie uns die Filmwerkstatt Münster mitteilte.
Darüber hinaus wurde Filmwerkstattmitglied Robert Kriegs neuer Film ‘Kinder der Steine – Kinder der Mauer’ über die Situation junger Menschen in den Palästinensergebieten am 20.02.2011 im Cinema-Münster in Anwesenheit des Regisseurs erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Und Filmwerkstattmitglied Horst Herz wurde mit zwei Filmen zu den 57. Kurzfilmtagen nach Oberhausen (5.-11. Mai 2011) eingeladen.
Zum 30jährigen Bestehen der Filmwerkstatt ist beim Berliner Revolver Verlag jetzt der Katalog zur gleichnamigen Filmreihe im filmclub erschienen:
T,O,U,C,H,I,N,G, Wahrnehmung und Film, Hrsg. von Carina Plath | Revolver Publishing, Berlin 2010, 17,- €
Kontakt und DVD-Bezug
Filmwerkstatt Münster
Gartenstr. 123
48147 Münster
Fon: 0251/230 36 21
Fax: 0251/230 36 09
Mail: film@muenster.de
Web: www.filmwerkstatt.muenster.de
Filmwerkstatt Münster neu: www.muenster.org/filmwerkstatt