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Berlinale Nachlese und noch mehr Preise 2011

Die Berlinale Bären wurden am 19. Februar vergeben. Doch auch danach gab es noch Preisverleihungen.



Über die Berlinale-Bären ist hinlänglich in der Presse geschrieben worden. Die meisten Medien berichteten noch in der Nacht vom Samstag zu Sonntag, sofort nach der Preisverleihung im Berliner Berlinale Palast, über die Hauptpreise, von denen der iranische Regisseur Ashgar Farhadi mit “Nader and Simin, A Separation” gleich dreimal geehrt wurde. Dabei wurde oft verschwiegen, dass beispielsweise die nicht unbedeutenden Panorama Publikumspreise erst am Sonntagabend beim Publikumstag des 61. Internationalen Filmfestivals Berlin ausgehändigt wurden. Und auch der erste entwicklungspolitische Filmpreis "Cinema fairbindet", des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der in Kooperation mit der Berlinale vergeben wurde, ist erst am Sonntag beim Jugendfilmfestival Kplus bekannt gegeben worden.

Bundesminister Dirk Niebel würdigte mit "Cinema fairbindet" ebenfalls einen iranischen Filmregisseur, um die politische Bedeutung der Berlinale Preise nochmals zu unterstreichen, während Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sich zu gleicher Zeit in Theran mit Präsident Mahmud Ahmadinedschad traf, um die seit dem 10. Oktober 2010 im Iran inhaftierten deutschen Journalisten Jens Koch und Marcus Hellwig für jeweils 36 500 Euro freizubekommen. Der Regisseur Mohammad Ali Talebi konnte für seinen Film "Bad o meh" (Wind und Nebel) „nur“ einen Scheck über 5000 Euro entgegen nehmen. Dafür wird der Kinderfilm, der am Beispiel eines traumatisierten Jungen die Zerstörungskraft des Krieges aufzeigt, aber im Rahmen einer Roadshow besonders vermarktet.

Eigentlich wollten wir im BAF-Blog ebenfalls noch am Sonntag zeitnah unser Fazit ziehen. Doch glücklicherweise bekamen wir die Gelegenheit, auch noch die prämierten Kurzfilme in der Nacht zum Montag in einer Abschlussveranstaltung der Berlinale sehen zu können, sodass wir nicht mehr zum Schreiben kamen. Wir haben hier den YouTube Teaser des Gewinners Paranmanjang (Night Fishing) von Park Chan-Wook aus Südkorea eingebunden, dem ersten 30-Minuten langen Fantasy-Horror Spielfilm, der ausschließlich mit einem iPhone entstanden ist. Leider sprengten auch die anderen Preisträger nicht dieses weniger berauschende Schreckens-Niveau. Auch der schwedische halbstündige Zombie Film "The Unliving" erinnerte allzu sehr an einen Abklatsch von "Rammbock", einem Preisträger des letztjährigen Achtung Berlin Award. Und in "Pu-Seo-Jin Bam" (Broken Night - Silberner Bär) verstrickt sich ein unbelehrbarer Autofahrer nach einem Unfall in weitere Komplikationen mit tödlichem Ausgang.



Mit täglich bis zu sechs Filmen haben wir unsere Leistungsfähigkeit Filme zu rezensieren dabei arg strapaziert. Dafür können wir aber umfassend zu allen Sektionen bei nächster Gelegenheit Stellung nehmen. Der mit uns befreundete und jetzt auch über einen gemeinsamen Geschäftsführer verbundene Berliner Film und Fernsehverband (BFFV) wird auch dieses Jahr wieder kurz nach der Berlinale ein offenes Meeting in seiner Geschäftsstelle am Rosa-Luxemburg-Platz abhalten, zu denen die Mitglieder und Freunde beider Verbände herzlich eingeladen sind, an einer Diskussionsrunde "Fazit Berlinale" teilzunehmen. Der Termin wird am Ende des Monats auf der gemeinsamen Filmveranstaltung "Kontakte" im Kino Toni am Montag, den 28.02.2011 bekannt gegeben. Wir werden am 27. Februar 2011 Einzelheiten an dieser Stelle veröffentlichen. Angedacht ist der 8. oder 15. März 2011, je nachdem wie Vertreter der Berlinale, sich Zeit für die Diskussionsrunde nehmen können.

Panorama Publikumspreis erstmals doppelt vergeben.

In den letzten Jahren hatte es sich herauskristallisiert, dass die Publikumspreise immer wieder an Dokumentarfilme vergeben wurden. Moderator Knut Elstermann vom rbb radioeins meinte deshalb etwas ironisch, dass der Spielfilm durch einen zweiten Preis im Panorama besser geschützt werden müsse. Tatsächlich bekam auch dieses Jahr ein Dokumentarfilm wieder die meisten Stimmen. Und zwar ein Friedhofsfilm. Die rbb Produktion der deutschen Regisseurin Britta Wauer konnte sich mit ihrem Film “Im Himmel, unter der Erde - Der jüdische Friedhof Weißensee” noch vor dem hoch favorisierten Mika Kaurismäki Film "Mama Afrika" durchsetzen. Geschickt verbindet die Regisseurin Gegenwart und Vergangenheit. Sie beobachtet Schulklassen, die die kunstvoll verzierten alten Grabmäler für den Kunstunterricht studieren dürfen und hinterfragt die jüdischen Geschichten von den Verstorbenen.

Der Panorama Publikumspreis Spielfilm ging an den spanischen Regisseur Icí­ar Bollain, der mit “También la Iluvia” (Even The Rain) die mörderische Invasion der Spanier auf Südamerika zu Zeiten von Christoph Kolumbus nacherzählen wollte. Bei Dreharbeiten mit bolivischen Indianern nutzen die Ureinwohner die Gelegenheit, um auf ihre weiterhin bestehende Unterdrückung aufmerksam zu machen und zetteln einen Bürgerkrieg um die überhöhten Wasserpreise an. Geschickt verwebt der Regisseur den historischen Kampf der Indianer mit ihrem Kampf in der Gegenwart, um daraus anstelle eines Spielfilms quasi eine packende Pseudo-Doku zu gestalten.

Sicherlich gab es weitere herausragende Spielfilme im Panorama, die ebenfalls einen Preis verdient hätten. "The Guard" (Der Polizist) beispielsweise von John Michael McDonagh, dessen Krimi mit typisch, trockenen englischen Humor faszinierte und nur mit einer lobenden Erwähnung als Erstlingswerk bedacht wurde.

Aufregend auch "The Devil's Double" im Panorama, dessen fiktionale Story über einen Doppelgänger von Saddam Husseins Sohn Udai sich - ähnlich wie Andreas Veiel mit der Gudrun Ensslin RAF-Geschichte "Wer wenn nicht wir" (Wettbewerb Alfred-Bauer-Preis) - über verbriefte Aufzeichnungen nähert. In beiden Fällen soll die Persönlichkeit der Protagonisten durchleuchtet werden und warum sie zu Terroristen geworden sind. Der englische Regisseur Lee Tamahori nutzt einen ähnlichen Stil wie sein deutscher Kollege und unterschneidet die Story mit realen Aufnahmen aus dem Irakkrieg. Das Werk gelingt ihm aber deutlich überzeugender.

Eröffnet wurde das Panorama erstmals mit einem Film, der als sogenannte Cross-Section-Film auch im Generation-Filmfestival lief. Der französische Spielfilm "Tomboy" von Céline Sciamma wurde dann tatsächlich mit dem Spezialpreis der Jury des queeren Teddy Awards gekürt, womit deutlich wird, wie sehr die Grenzen der Sektionen verschwimmen.

Cross-Section-Filme im Generation Programm

In allen Sektionen Wettbewerb, Panorama und Forum gab es erstmals Cross-Section-Filme. So zeigte das Forum mit Submarine einen Coming-of-Age-Beitrag von Richard Ayoade aus Großbritannien, der im Generation Programm 14plus lief. Beeindruckender war aber im Forum die portugiesisch-deutsche Produktion "Swans" von Hugo Vieira da Silva, die in einem beklemmenden, fast wortlosen Film die Sprachlosigkeit eines ca. 17jährigen Jungen zeigt, als seine Mutter im Sterben liegt. Wahrscheinlich zu schwere Kost, um den Film ebenfalls im Generation Programm präsentieren zu können.

Etwas weniger beklemmend, wenn auch streckenweise brutal, war da "Yelling to The Sky", der als Cross-Sektion auch im Wettbewerb lief, doch nirgends richtig überzeugen konnte und die Ghettojugend im Teufelskreis von Drogen und Gewalt zu klischeehaft darstellte. Der YouTube Trailer soll dennoch einen kurzen Eindruck vermitteln.



Anfangs erinnert der Film thematisch ein wenig an "West Side Stoy", dem legendären Meisterwerk über amerikanische Bandenkriege, der äußerst geschickt als genial-choreografischer Tanzfilm inszeniert war. Dieses Niveau ist selten wieder erreicht worden, um eine Geschichte über amerikanische Minderheiten kongenial zu erzählen.

Dafür konnte "El Premio" im Wettbewerb überzeugen. Der Terror der argentinischen Militärjunta, beklemmend und berührend aus der Sicht des siebenjährigen Mädchens Cecilia geschildert, wurde zurecht mit herausragender künstlerischer Leistung und zwei Silbernen Bären belohnt. Dieser Film hätte vielleicht im Generation Programm sogar einen Gläsernen Bären für die junge Hauptdarstellerin verdient, doch leider wurde er dort nicht präsentiert.

Unsere Liste der "fünf beeindruckendsten Filme":
EL PREMIO, NADER AND SIMIN, TRUE GRIT, THE GUARD, SWANS

Berlinale Kamera für Jérí´me Clément

Der langjährige Arte-Präsident Jérí´me Clément, die Gründerin und Präsidentin des Jerusalem International Film Festival, Lia van Leer, sowie Rosemarie und Franz Stadler, die 40 Jahre lang das Programmkino filmkunst 66 geleitet haben, wurden in diesem Jahr mit der Berlinale Kamera ausgezeichnet. Mit diesem Preis ehren die Internationalen Filmfestspiele Berlin nach eigenen Angaben seit 1986 Filmpersönlichkeiten oder Institutionen "denen sie sich besonders verbunden fühlen und denen sie mit dieser Ehrung ihren Dank ausdrücken wollen.

Bereits am 14. Februar fand mit Cinema for Peace die Gala für Frieden, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen statt. Unter den zu ehrenden Stars befand sich Sean Penn, der sich für den Wiederaufbau in Haiti einsetzt. Im Rahmen der Veranstaltung wurde der Dokumentarfilm SKATEISTAN - FOUR WHEELS AND A BOARD IN KABUL ausgezeichnet. Die Kamera verfolgt den Bau einer Skatehalle im Jahr 2009. Neben einem Skatepark gibt es hier Klassenräume, in denen auch Straßenkinder unterrichtet werden, die sonst keinerlei Zukunftsperspektiven haben.

Alle Preise im Überblick in der erweiterten Ansicht unter nachfolgendem Link: "Berlinale Nachlese und noch mehr Preise 2011" vollständig lesen

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