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67th Venice Film Festival 2010

Tom Tykwer im Rennen um den Goldenen Löwen bei der 67. Filmbiennale von Venedig.



Das Herannahen der 67. Biennale di Venezia, die vom 1. bis 11. September 2010 mehr als ein Filmfestival ist und Kunst, Architektur, Tanz, Musik sowie Theater einschließt, stimmt uns leider auch etwas traurig. Natürlich wird die Welt älteste Filmbiennale am Lido wieder zum Großereignis hochstilisiert und steht in ihrer Bedeutung dem Filmfest von Cannes kaum nach. Doch im nächsten Jahr sollte eigentlich Christoph Schlingensief den deutschen Pavillon mit seiner radikalen künstlerischen Art ausgestalten. Dazu wird es nach seinem Tod nun leider nicht mehr kommen.

Auch das Umfeld hat sich in Venedig in den letzten Jahren stark verändert. Für die Filmstars der Biennale war das berühmte «Grand Hí´tel Des Bains» am Lido jahrelang Treffpunkt gewesen.

Die neoklassizistische Fassade am Lido von Venedig hatte zwar inzwischen allen Glanz verloren. Der Jugendstil im Inneren zeigte Altersspuren, der Luxus der 191 Zimmer war fadenscheinig geworden, und selbst im Sonnenlicht ließ sich kaum entscheiden, ob das Haus einen anheimelnden oder einen unheimlichen Charme besaß. Bei den Sommergästen war es trotzdem beliebt, und die herbstlichen Besucher der Filmfestspiele, denen das Excelsior zu protzig war und das Hungaria zu bescheiden, tauchten hier ein in eine Belle Époque, die mit etwas Fantasie immer noch als diejenige durchging, in der Thomas Mann im Mai 1911 sein Herz an den Knaben Baron Wladyslaw Moes verlor – so wie Gustav von Aschenbach, der Protagonist seiner im Jahr darauf erschienenen Novelle „Tod in Venedig“, sein Herz an die vollkommene Schönheit des Jünglings Tadzio hängte, schrieb Gregor Dotzauer am 25.07.2010 im Tagesspiegel.

Mag sein, dass das stillschweigend geschlossene Hí´tel Des Bains, dessen Speisesaal „Sala Thomas Mann“ hieß, nur noch ein unrettbarer Kasten war. Was die EstCapital SGR, die ihn im Oktober 2008 zusammen mit dem Excelsior, ... nun aber plant, kommt einer Leichenschändung gleich. An seiner Stelle entstehen Luxusapartments mit Hotelservice. ... Eröffnung: Ende 2011.

Der allenthalben leicht heruntergekommene Lido erhält dafür zwar auch 2,2 Kilometer runderneuerte Strandpromenade. Aber kein venezianischer Stadtpolitiker hat das gigantische Investitions- und Restrukturierungsprojekt mit einer Auflage bedacht. Als Kulisse für Regisseure von Luchino Visconti bis Anthony Minghella („Der englische Patient“) hat der Lido ausgedient. Vorschlag zum Abschied: Man bestatte die Überreste des Hí´tel Des Bains, 110 Jahre nach seiner Eröffnung, wenigstens auf der benachbarten Toteninsel San Michele.

Die Zeiten ändern sich sagen andere und verweisen auf die angeblichen Errungenschaften moderner Architektur, während Venedigs Fundamente durch die Wellen der Motorboote langsam versinken und die von Abgasen und Öl verdreckten Kanäle zum Himmel stinken.

Dennoch ziehen der klangvolle Name der Stadt und die unglaubliche Kulisse die Touristen immer wieder an. Auch Regisseur Wim Wenders nahm selbstverständlich gerne einen Auftrag entgegen und drehte kurzerhand einen Stereo 3D-Film, den er zur Architektur Biennale in Venedig präsentieren wird.

Für die 67. Filmfestspiele von Venedig kämpft dieses Jahr Tom Tykwer für Deutschland im Wettbewerb um den Goldenen Löwen. Tykwer tritt beim Festival mit dem Streifen "Drei" an, für den er auch das Drehbuch schrieb. In seinem ersten deutschsprachigen Film seit zehn Jahren spielen Sophie Rois, Devid Striesow und Sebastian Schipper die Hauptrollen. Die Tragikomödie handelt von einem Berliner Paar, das sich in einen mysteriösen Fremden verliebt.

"Der Film umkreist die Sehnsüchte, Hoffnungen, Rätsel und Widersprüche von drei Menschen, die sich in der ungefähren Mitte ihres Lebens mit fundamentalen Fragen des Zusammenseins und des 'richtigen' Lebensentwurfs konfrontiert sehen", erklärt der Regisseur.

Für Tom Tykwer ist es nicht der erste Auftritt in Venedig: Schon „Lola rennt“ und „Der Krieger und die Kaiserin“ waren am Lido uraufgeführt worden. Auch beim Toronto International Film Festival (9. bis 19. September) wird Tom Tykwers "Drei" vertreten sein. Das Kanadische Festival vergibt allerdings keine Preise.

In der Sektion "Orizzonti" (Horizonte), in der es um neue Tendenzen des internationalen Films geht, werden der Dokumentarfilm "Atom" von Markus Löffler und Andree Korpys sowie der Trickfilm "The External World" von David Oreilly die Bundesrepublik in Venedig vertreten.

Nach eher schwacher Präsenz in Cannes trumpft das amerikanische Kino in Venedig wieder auf. In dem ausschließlich Weltpremieren umfassenden Wettbewerb mit insgesamt 22 Filmen zeigen die Amerikaner allein sechs Filme. Besondere Erwartungen richten sich auf „Somewhere“, Sofia Coppolas Vater-Tochter-Drama im Schauspielmilieu sowie auf Julian Schnabels „Miral“, der das Schicksal von Palästinenserinnen in Jerusalem beschreibt. Darren Aronowsky steuert mit „Black Swan“, in dem Natalie Portman und Mila Kunis zwei konkurrierende Balletttänzerinnen geben, den Eröffnungsfilm bei; Monte Hellman ist mit dem Thriller „Road to Nowhere“, Kelly Reichardt mit ihrem Western „Meek’s Cutoff“ sowie Vincent Gallo mit „Promises Written in Water“, dem Drama um ein todkrankes Mädchen, vertreten.

Aus Frankreich werden Abdellatif Kechiche mit „Venus noire“, François Ozon („Potiche“) und Antony Cordier („Happy Few“) angekündigt. Gastgeber Italien schickt Filme von Carlo Mazzacurati, Mario Martone, Saverio Costanzo und Ascanio Celestini ins Rennen. Die kinematografische Weltkarte komplettieren der Chinese Tsui Hark, Takashi Miike und Ann Hung Tran aus Japan, Pablo Larraí­n (Chile), Richard Lewis (Kanada), Aleksei Fedorchenko (Russland), ílex de la Iglesia (Spanien) und die Griechin Athina Rachel Tsangari. Abschlussfilm außer Konkurrenz ist Julie Taymors Shakespeare-Adaption „The Tempest“, unter anderem mit Helen Mirren und Alfred Molina.

Als sicherlich tempestuöser Jury-Chef fungiert Quentin Tarantino. Ihm zur Seite stehen die Regisseure Arnaud Desplechin, Luca Guadagnino und Gabriele Salvatores, Filmkomponist Danny Elfman, der mexikanische Autor Guillermo Arriaga und die litauische Schauspielerin Ingeborga Dapkunaite.

Link: www.labiennale.org/en/cinema


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