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Berlinale - Fazit, Gewinner und Randnotizen

Bereits zur Mitte des diesjährigen internationalen Berliner Film Festivals wurden 270 000 Karten verkauft.



Welch ein Glück, dass mit dem Friedrichstadtpalast, der nahezu 1500 Besucher fasst, eine neue Spielstätte hinzugekommen ist, die den Verlust des längst abgerissenen Royal Palastes am Tauentzien ausgleicht. Mit dem Cinema Paris kam endlich auch wieder eine Abspielstätte am Kudamm zurück, so dass ein sensationeller Besucherrekord in der 59-jährigen Geschichte der Berlinale erreicht wurde. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden während der gesamten Berlinale 240 000 Karten verkauft.

Dennoch reichten die Plätze bei weitem nicht aus. Einige Vorstellungen konnten Dank Interlaced-Technik der Multiplex-Kinos parallel in zwei Sälen abgespielt werden, um kurzfristig den Ansturm auszugleichen. Beim Digitalkino ließe sich theoretisch sogar ein ganzes Haus mit allen Abspielsälen gleichzeitig mit einem Film bespielen. Unterschiedliche Länge und unterschiedliche Anfangszeiten der Filme sprechen allerdings dagegen. Das spürten die Zuschauer im Cubix am Samstag Abend, als lange nach Einlass im ersten Kino der Film nicht beginnen konnte, weil die zweite Abspielstätte noch nicht geräumt war und nur deutlich verspätet startklar wurde.

So saßen wir ein wenig gelangweilt und wartend im Kino, während im Berlinale Palast die Bären verteilt wurden. Natürlich kann man nicht überall sein, doch über Verstärkung beim Schreiben einiger Artikel würden wir uns freuen, damit wir noch aktueller sein können. Nun kommen die Randnotizen und die Würdigung der Preisträger bei uns etwas später als in anderen Medien. Dafür können wir es sacken lassen und mit ein wenig Abstand besser Vergleiche ziehen.

Die Preisträger
Der Goldene Bär für den besten Film ging an:
• LA TETA ASUSTADA (The Milk Of Sorrow) von Claudia Llosa (Peru). Es war das erste Mal in der Geschichte der Berlinale, dass ein Film aus Peru am Wettbewerb teilnahm. Die thematische Brisanz des Themas um Armut, Tod, Elend, Angst und Ausgrenzung, das sich durch das ganze Festival zog, war sicherlich Grund genug dem Außenseiter einen Preis zu geben. Mit dem höchsten Platz hat kaum ein Kritiker im Medaillenspiegel gerechnet. Dabei ist die Berlinale schon immer etwas sozialkritischer und politischer gewesen, als die beiden anderen großen A-Festivals Cannes und Venedig.

Große Namen, großer Regisseure wie Costa-Gavras, Theo Angelopoulos und Andrzej Wajda sind dennoch in Berlin vertreten; auch wenn die Altmeister ihre besten Werke meist lieber für Cannes vorbehalten. Ärgerlich ist nur das Gebaren der Verleiher, einige gute Filme mit Blick auf die Oscar Verleihung am 22. Februar bereits vor der Berlinale zu starten, so dass sie im Wettbewerb nur außer Konkurrenz laufen dürfen oder in der Panorama Sektion bei uns Unterschlupf finden müssen. Gus van Sants Meisterwerk „MILK“ durfte sogar nur ein einziges Mal im Zoo Palast in der Panorama Sektion gezeigt werden. Der Spielfilm nach einer wahren Begebenheit über den ersten Bürgerrechtler der USA, der sich für die Gay-Community San Franciscos einsetzt und von politischen Widersachern ermordet wird, erhielt bereits international viele Preise und ist für etliche weitere nominiert. Interessant ist, dass der Regisseur in seinem Spielfilm auf Doku-Material aus dem Film „The Times of Harvey Milk“ von Robert Epstein aus dem Jahre 1984 zurückgreift.

Die Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion werden auch nach Meinung von Andrzej Wajda in Zukunft immer mehr verschwinden, sagte er auf der Pressekonferenz der Berlinale, die allerdings erst spät in der Nacht zum Sonntag im rbb ausgestrahlt wurde.
• Sein Film TATARAK im Wettbewerb mit dem zentralen Gedanken über den Tod erhielt zwar keinen Bären, gewann aber mit dem Alfred-Bauer-Preis einen der Hauptpreise des Festivals für Innovationen im Film.

Der fast 83 jährige Regisseur hat mit seiner schwer verständlichen, recht komplexen Erzählweise selber kaum noch mit einer Auszeichnung im hohen Alter gerechnet. Er glaubt aber, dass Film als massentaugliches Kulturobjekt immer politisch und sozialkritisch sein sollte, um etwas in der Welt bewegen zu können. Seiner Meinung nach sind gerade die Filmstudenten dazu prädestiniert, um mit modernen Ausdrucksformen und neuen Erzählweisen zu überraschen.

• MY SUICIDE von David Lee Miller in der Generation 14plus Sektion war genau in diesem angesprochenen Stil eine Mixed-up-Collage aus Fiction, Reality und Animation über die Problematik von Selbstmorden bei Jugendlichen, die zu Recht den Gläsernen Bären der Jugend Jury gewonnen hat. Wenn diese YouTube Generation der knapp 18 Jährigen demnächst eigene Filme dreht, dürften sich die Annahmen von Andrzej Wajda bestätigen und evtl. zu einer neuen Kunstform im Film führen.

• Eine gänzlich andere Filmsprache hatte HAYAT VAR (My Only Sunshine) aus dem Forum. Die Sorgen und Probleme von Heranwachsenden waren aber mit dem oben genannten Film vergleichbar. Die wunderschönen Bilder im Hafen von Istanbul hatten immer etwas bedrohliches, das die Tagesspiegelleserjury zu würdigen wusste. Für mich einer der schönsten Filme aus dem Forum.

• Äußerst herzzerreißend spielte Brenda Blethyn in dem Attentatsfilm LONDON RIVER von Rachid Bouchareb. Im Gegensatz zu einigen Kritikern fand ich die Geschichte gar nicht voraussehbar, sondern dramatisch spannend. Ich hatte aber zuvor die Filmbeschreibung extra nicht gelesen, denn ich wollte mich überraschen lassen. Noch größer war dann das Erstaunen, dass der Silberne Bär nicht an die beste weibliche Darstellerin, dafür aber an den männlichen Gegenpart in dem Film ging. Allerdings hat der durch 20 Jahre Zusammenarbeit mit dem englischen Theaterregisseur Peter Brook bekannte 73jährige afrikanische Darsteller Sotigui Kouyate schon lange einen Preis als bester männlicher Darsteller verdient.

• Der silberne Bär und zugleich große Preis der Jury wurde wieder einmal gesplittet. Er ging zu gleichen Teilen an GIGANTE des argentinischen Nachwuchsregisseurs Adrián Biniez und an Maren Ades deutsche Produktion ALLE ANDEREN. Die österreichische Darstellerin Birgit Minichmayr spielte großartig in dem Film und hat zusätzlich den Preis als beste Darstellerin erhalten. Streckenweise tolle, treffsichere Dialoge. Das Ende des Films überzeugte mich dagegen überhaupt nicht. Ganz anders der stille, leise Humor in dem argentinischen Spielfilmdebut über einen korpulenten Wachmann eines Supermarktes. Er erinnert irgendwie an nordische Filme mit ihrer eigenartigen Komik und lies einen bis zu letzt immer wieder schmunzeln.

Bei bis zu sechs oder sieben Filmen täglich und etlichen Fachgesprächen bleibt kaum noch Zeit darüber zu schreiben. Berührt hat mich am stärksten „The Reader“ (Der Vorleser) obwohl der Film leider außer Konkurrenz lief. Den jungen 17 jährigen Darsteller David Kross fand ich sogar noch ausdrucksstärker, als die hochgelobte und mit dem Goldenen Globe ausgezeichnete Kate Winslet.

• Beeindruckt hat mich aber auch der sogar ein Jahr jüngere Logan Lerman an der Seite von Renée Zellweger in MY ONE AND ONLY von Richard Loncraine. Ein farbenfroher Film dessen Wendungen ständig neue Überraschungen offenbaren und deshalb eine lobende Erwähnung der Jury erhielt. Ansonsten hat sich die Jury dazu entschlossen, Filme und Künstler auszuzeichnen, denen es gelingt, politisches Statement und poetische Form in ein ausgeglichenes Verhältnis zu setzen.

Zum Ausgleich für die eher düsteren, kritischen Filme zeigte die Berlinale als letzten Film vor der Preisverleihung mit "Pink Panther 2" eine waschechte, jedoch sehr gut gemachte und schnell geschnittene Filmklamotte zum herzhaften Lachen. Der Film lief außer Konkurrenz im Berlinale Palast am Marlene-Dietrich-Platz aber in Anwesenheit seiner Protagonisten Steve Martin und Jean Reno.

Sämtliche Preisträger sind auf der Berlinale Webseite abrufbar.

Die wichtigsten Preise der Internationalen Jury haben wir in einer Liste unter nachstehendem Link zusammengefasst: "Berlinale - Fazit, Gewinner und Randnotizen" vollständig lesen

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