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Verwertungsgesellschaften verlieren Monopolstellung

Kartellentscheidung der EU-Kommission bereits im Juli erfolgt



Verwertungsgesellschaften wie die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) oder die Verwertungsgesellschaft Wort (VGWort) können auf eine teils mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken. Doch in jüngster Zeit zeigen sich Risse am Fundament, nachdem die EU-Kommission Verwertungsgesellschaften besonders aus dem Musikbereich zu Reformen und mehr Wettbewerb zwingen will.

Ökonomisch betrachtet stellen Verwertungsgesellschaften besondere Wirtschaftunternehmen dar, die in der Regel ein staatlich garantiertes, nationales Monopol innehaben und in gewissem Umfang staatlicher Aufsicht unterliegen. Sie sind für die effiziente Verwaltung der Wahrnehmung der Verwertungsrechte ihrer Mitglieder und, über gegenseitige Verträge, der Mitglieder ausländischer Verwertungsgesellschaften zuständig. Darüber hinaus üben sie die Funktion als Autorengewerkschaft, als Instrumente der Kulturpolitik und als eine Art Sozialversicherung für ihre Mitglieder aus.

Mit einer Kartellentscheidung hat die EU-Kommission im Juli die zwischen den nationalen Verwertungsgesellschaften bestehenden Vereinbarungen zur nationalen Wahrnehmung von Rechten für illegal erklärt und somit den europäischen Verwertungsgesellschaften wettbewerbsverzerrende Praktiken untersagt. Absprachen, die Dienstleistungen von Verwertungsgesellschaften auf den nationalen Rahmen beschränken, verstoßen nach Auffassung der Kommission gegen die Artikel 81 des EG-Vertrages und Artikel 53 des EWR-Abkommens. Das nationale Monopol der Verwertungsgesellschaften wird damit gebrochen und die Verwertungsgesellschaften müssen ihre wettbewerbswidrigen Praktiken sofort einstellen.

Das bedeutet, dass nicht nur Musiker, sondern auch Autoren und Filmemacher ihre Urheberrechte nicht mehr nur an eine nationale Verwertungsgesellschaft übertragen können. Die vertraglichen Gebietsbeschränkungen, die den nationalen Verwertungsgesellschaften im Rahmen des internationalen Dachverbands der Verwertungsgesellschaften CISAC eine Monopolstellung garantierten, werden aufgehoben. Darüber hinaus will die EU-Kommission zukünftig auch die Schutzfrist für Musikaufnahmen verlängern und hat eine rückwirkende Verlängerung der Schutzfrist für Musikaufnahmen von 50 auf 95 Jahre innerhalb der EU in einem Grünbuch in Aussicht gestellt.

Sollte die Richtlinie für die Schutzfrist von 95 Jahren umgesetzt werden, könnten Musiker, ihre Kinder und Enkel deutlich länger von Abgaben profitieren, die für das Abspielen und Kopieren von Musikaufnahmen zu entrichten sind. Zu den Profiteuren gehörten ebenfalls die Plattenfirmen, da ihnen der Verkauf von Platten im Einzelhandel und Internet zusätzliche Einnahmen verschaffen würde, denn unabhängigen Anbietern, die in den vergangenen Jahren eine Fülle entsprechender Kompilationen mit Musikaufnahmen, deren Schutzfrist abgelaufen war, zu Preisen von rund einem Euro pro CD in den Handel brachten, würde die Geschäftsgrundlage entzogen.

Bisher war die Wahl insbesondere für Musiker in der Regel einfach: Entweder man bot die eigene Musik unter einer Creative-Commons-Lizenz an oder man konnte Mitglied einer Verwertungsgesellschaft werden, die die Rechte an der Musik exklusiv verwaltet. Beides zusammen war ausgeschlossen, weil die Verwertungsgesellschaften – in Deutschland die GEMA – sich weigerten, CC-Lizenzen für Teile des von ihnen verwalteten Repertoires zu vergeben. Auch war es nicht möglich, nur Rechte an einem Teil der eigenen Musik an eine Verwertungsgesellschaft abzutreten. Diese forderten immer die Abtretung der Rechte an allen selbst geschaffenen Werken.

Für die Musiker hatte das zur Folge, dass ihnen die Einnahmen aus der Ausschüttung der von den Verwertungsgesellschaften eingesammelten Lizenzgebühren und Geräteabgaben entgingen, wenn sie Musik unter einer CC-Lizenz anbieten wollten. Diese mangelnde Flexibilität der Verwertungsgesellschaften war in jüngerer Vergangenheit immer wieder von Musikern kritisiert worden.
Dazu erklärte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes: "Diese Entscheidung wird sich positiv auf die kulturelle Vielfalt auswirken und Anreize für die Verwertungsgesellschaften schaffen, Komponisten und Textern bessere Konditionen im Hinblick auf die ihnen zustehenden Tantiemen zu bieten. Mit der Entscheidung wird außerdem ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Übertragung per Satellit, Kabel und Internet geleistet, die Endnutzern ein größeres Angebot und Urhebern potenzielle Zusatzeinnahmen bietet. Die Kommission hat jedoch dafür gesorgt, dass die Vorteile der kollektiven Verwaltung von Rechten nicht in Frage gestellt und dadurch etwa die Höhe der Tantiemen oder der Umfang des verfügbaren Musikrepertoires gefährdet werden."
In Zukunft herrscht unter den Verwertungsgesellschaften also Wettbewerb und Urheber haben die Wahl, welche Gesellschaft sie mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betrauen.

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Dänische Verwertungsgesellschaft beteiligt CC-Künstler an Zweitverwertung

Inzwischen hat die dänische Verwertungsgesellschaft KODA einen ersten Schritt unternommen, um den sich wandelnden Bedürfnissen der Musiker entgegenzukommen und verwaltet erstmals auch die kommerzielle Rechte beim kostenlosen Download von Musik.

Das Album "Small Arm of Sea" der dänischen Klangkünstlerin Tone ist erstmals unter einer Creative-Commons-Lizenz (BY-NC-ND) erschienen, bei der die Künstler an den Einnahmen aus der kommerziellen Zweitverwertung ihrer Musik beteiligt werden. Obwohl das Album sowohl als CD/DVD-Kombi oder Schallplatte im Laden gekauft werden kann, existiert gleichzeitig auch ein MP3-Track der kostenlos im Netz zu freien Verfügung gestellt wurde. Die nicht kommerzielle Verbreitung eines Musikstückes oder Filmes garantierte im besten Fall den CC-Künstlern kostenlose Werbung, Tantiemen konnten daraus kaum generiert werden.

Doch in vielen Ländern wird von den Verwertungsgesellschaften auf leere Datenträger und Aufzeichnungsgeräte eine Kopierabgabe erhoben. Allerdings wurden die Einnahmen aus der Kopierabgabe bisher ausschließlich an die Mitglieder der Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet. Das soll sich jetzt ändern, denn Kreative, die ihre Werke unter einer CC-Lizenz verbreiten, sahen bisher von der Kopierabgabe keinen Cent, selbst wenn ihre Werke auf CD oder DVD gebrannt werden. Doch je mehr CC-Werke in Umlauf sind und auf Datenträgern (mit Kopierabgabe) vervielfältigt werden, desto höher fielen bisher die indirekten Subventionen aus. Indirekt subventionierten damit die Kreativen, die nicht Mitglieder einer Verwertungsgesellschaft sind, diejenigen in der Verwertungsgesellschaft.

Durch die Beteiligung der CC-Künstler an den Ausschüttungen soll eine bisherige Ungerechtigkeit endlich beendet. Das könnte den Durchbruch für CC-Musik mit Segen einer Verwertungsgesellschaft bedeuten und wäre auch für andere Geschäftsmodelle beispielgebend.

Eine ausführliche Linkliste zu europäischen Verwertungsgesellschaften und nationalen Verbänden ist beim DMV - „Deutscher Musikverleger-Verband e.V." zu finden.


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