Berliner Stadtschloss wird «reine Kulissenarchitektur»
Was Kulissenarchitektur bedeutet, dürfte in der Filmbranche hinlänglich bekannt sein: «Eine Fassade hinter der sich nichts originalgetreues verbirgt.» Mit diesen harten Worten meldete sich der Kunsthistoriker Adrian von Buttlar zum Jahreswechsel zu Worte und verschreckte viele Berliner, die bis dato an den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses am Schlossplatz „Unter den Linden“ glaubten. Tatsächlich ist die geplante Rekonstruktion der historischen Fassade des Stadtschlosses und zugleich moderne Nutzung für das Humboldt-Forum höchst widersprüchlich «stelle die Architekten vor kaum lösbare Aufgaben» sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gegenüber.
Im Humboldt-Forum sollen unter anderem die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen Berlins sowie wissenschaftliche Exponate der Humboldt-Universität untergebracht werden. Der Schlossbau soll nach dem Willen des Bundestages für 552 Millionen Euro von 2010 bis 2013 errichtet werden. Mit dem Vorhaben, ein Drittel der Räume wie etwa den Schlüterhof originalgetreu und in ihrer ursprünglichen Dimension und Lage wiederherzustellen, entstehe ein «geklontes Schloss. Man kriegt kein Stadtschloss, sondern nur seinen schwachen Abglanz und ein Versprechen von Authentizität, das nicht eingelöst werden kann», sagte der Professor am Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der TU Berlin. Der Wissenschaftler, ein Befürworter der Nachkriegsmoderne, hatte den Abriss des DDR-Palastes der Republik kritisiert und sich für die Bewahrung der jüngeren geschichtlichen Spuren in der Hauptstadt ausgesprochen.
Buttlar äußerte zwar Respekt vor der Initiative des Schloss-Fördervereins um Wilhelm von Boddien. Seiner Meinung nach werde aber anders als bei der Dresdner Frauenkirche, für deren Wiederaufbau sich die Bürger der Elbestadt eingesetzt hätten, der Wiederaufbau des Berliner Schlossbau nur von einer «sorgsam inszenierten Meinungslawine» der Bundesrepublik getragen. Es werde eine «bereinigte Version» der preußischen Geschichte zur Identitätsstiftung benutzt.
Doch hier irrt der Kunsthistoriker, der auch Vorsitzender des Landesdenkmalrats ist. Mittlerweile haben sich verschiedenen Fördervereine gebildet, die zum Teil große Unterstützung in der Berliner Bevölkerung haben. Der Widerstand gegen einen modernen Bau, wie ihn sich der britische Architekt David Chipperfield wünscht, ist unter den Berlinern größer als manch einer glaubte. Schon in Potsdam zeigte sich, dass eine Errichtung der Kubatur des Potsdamer Schlosses mit moderner Hülle nur bei der PDS, nicht aber bei der Potsdamer Bevölkerung Anklang finden würde. In Berlin sind die Befürworter, die dem Palast der Republik hinterher trauern, ebenfalls in der Minderheit. Ein Wiederaufbau des DDR-Palastes nach dessen Asbestsanierung wäre ebenfalls nur eine Replik des Originals. Fast alle Teile waren mit Schadstoffen belastet. Übrigens soll die Ostfront, zu Spreeseite hin, modern erbaut werden, in Anlehnung an den DDR-Palast. Auch der Volkskammersaal könnte nach den augenblicklichen Vorgaben evtl. wieder im Schlossgebäude untergebracht werden. Herr Chipperfield, der auch Mitglied in der Wettbewerbsjury ist und eher für moderne zeitgenössische Architektur plädiert, äußert sich jüngst im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kritisch zu den Vorgaben des Bundestages für den Schloss-Wiederaufbau. Das Parlament habe sich leider auf eine Rekonstruktion festgelegt, «die haben sehr genau definiert, was passieren soll», sagte Chipperfield, «Das ist das eigentliche Ärgernis. Mich stört, dass da quasi ein biblisches Gebot erlassen wurde, das alle weiteren Diskussionen abwürgen soll.»
Preussen Adler
Zur zukünftigen Gestaltung der Stadtmitte und den merkwürdigen Vorgaben äußert sich auch die Preußische Gesellschaft.
„Dass die Stadt-Obrigkeit den Großen Kurfürsten nicht zurück in die Stadtmitte haben will an Stelle des geschleiften National-Denkmals, das an die erste deutsche Einheit von 1871 erinnerte, ein bestimmt wieder hässlich verarbeitetes, mit Stahl garniertes Stück Beton als Denkmal für die zweite deutsche Einheit von 1990 zu errichten gedenkt, lässt Schlimmes ahnen. Gemeinsam mit der Gesellschaft Historisches Berlin, sei auf weiteren Unsinn der künftigen Gestaltung der Stadtmitte aufmerksam gemacht: Durch den Entwurf des Herrn Chipperfield, der von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 1997 die ehrenvolle Aufgabe bekommen hatte einen Masterplan für die Berliner Museumsinsel auszuarbeiten und zugleich einen neuen Eingangsbereich schaffen soll, werde die Museumsinsel so verschandelt, dass der Status der Insel als UNESCO-Welterbe in Gefahr sei.“
Die Preußische Gesellschaft lädt übrigens am Sonntag den 13. Januar zum traditionellen Neujahrsempfang ins Hotel Hilton am Gendarmenmarkt ein. Zahlreiche Berliner und Brandenburger Unternehmen werden zugegen sein, die als Sponsoren für das Berliner Stadtschloss bereits gespendet haben, und mit denen man über die Gestaltung der neuen Mitte diskutieren kann.
Joop-Skizze
Einadung zum Neujahrsempfang: Preuss.Gesell_Einladung.pdf
Rückantwort: Rueckantwort
Man darf über die Gestaltung der neuen Mitte sicherlich geteilter Meinung sein. Irgendwann aber, wenn das Schloss wieder steht, werden im Inneren des Neubaus auch wieder berauschende Feste gefeiert werden, während das Äußere zahlreichen Filmen als Kulisse dienen wird.
Gesellschaft zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses e.V.
www.berliner-schloss.de
Förderverein Berliner Schloss e.V. www.stadtschloss-berlin.de
Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. www.preussen.org
Gesellschaft Historisches Berlin www.ghb-online.de
Historische Schloss-Infos www.berlinerschloss.org