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Neue Kinostarts in der 11. Kalenderwoche 2024

Jeden Donnerstag gibt es neue Filme auf großen Leinwänden in deutschen Kinos zu sehen, von denen wir auch diesmal wieder einige Highlights besprechen.



"DER WUNSCH" Langzeit-Dokumentation von Judith Beuth über eine ganz besondere Frauen-Beziehung, die mit einem Publikumspreis des 45. Filmfestivals Max Ophüls Preis 2024 ausgezeichnet wurde. (Deutschland / Norwegen 2024, 105 Min.) Ab 14. März 2024 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

In ihrem Dokumentarfilm begleitet die Regisseurin Judith Beuth über einen Zeitraum von zehn Jahren das Liebespaar Maria und Christiane mit der Kamera.

Maria ist aufgrund eines Unfalls querschnittgelähmt und wird von der etwas älteren, aber erfahrenen Krankenschwester Christiane von Anfang an gepflegt. Aus der Abhängigkeit entsteht nicht nur eine emotionale Liebesbeziehung, sondern erwächst bald auch ein Kinderwunsch.

Eine Adoption wird verworfen. Es soll ein eigenes, gemeinsames Kind werden. Doch wer von den beiden Frauen soll die Vaterrolle übernehmen? Vor allem weil der Samenspender möglichst unbekannt bleiben soll. Darüber hinaus erwachsen quälend lange Diskussionen, wer das Kind austragen soll.

Die Ärzte lehnen eine Schwangerschaft von Maria ab. Zu risikoreich sei die Geburt bei der Schwerbehinderten. Zudem stellt das deutsche Gesundheitssystem ein paar weitere Hürden in den Weg, sodass die Beziehung der beiden unter Druck gerät.

Inzwischen scheint auch die biologische Uhr von Christiane abgelaufen zu sein, denn eine künstliche Befruchtung scheitert, obwohl der eigene Kinderwunsch unverändert bestehen bleibt...

W.F.


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"DIE HERRLICHKEIT DES LEBENS" Historien-Drama von Georg Maas & Judith Kaufmann zum 100. Todestag von Franz Kafka nach dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller. (Deutschland / Österreich, 2024; 98. Min.) Mit Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Daniela Golpashin u.a. ab 14. März 2024 im Kino. Hier der Trailer:



Elisabeths Filmkritik:

Franz Kafka lernt an der Ostsee die Erzieherin Dora Diamant kennen. Sie betreut eine Gruppe jüdischer Kinder. Er ist bei seiner Schwester zu Besuch. In einer Einstellung erzählt Kafka den Kindern eine Fabel, die nicht gut ausgeht. Es geht auch um den Tod. Man hält die Luft an. Aber: Die Kinder sind begeistert.

Sicherlich hat das Publikum die eine oder andere Kafka-Erzählung im Hinterkopf und auch seine Lebensgeschichte blitzt im Hinterkopf auf. Die Biografie, die der Regisseur Georg Maas ("Zwei Leben") und in Co-Regie die Kamerafrau Judith Kaufmann ("Räuberhände", "Das Lehrerzimmer") hier erzählen, ist eigentlich eine Universelle.

Franz Kafka, gespielt von Sabin Tambrea, und Dora Diamant, sie wird von Henriette Confurius dargestellt, lernen sich kennen und sie verlieben sich, ohne Umschweife. Der Fokus liegt dabei auf der Kraft der Liebe angesichts einer Zukunftslosigkeit des Lebens. Franz Kafka ist bereits todkrank. Er litt an Tuberkulose. Das hindert die Beiden nicht, aus der verbliebenen Zeit das Beste herauszuholen. Dabei ist "Die Herrlichkeit des Lebens" zwar mit berühmten Figuren bevölkert, aber die eigentliche Geschichte wirkt von den Persönlichkeiten losgelöst.

Vorlage für die Verfilmung ist der gleichnamige Roman von Michael Kumpfmüller von 2011, der diese Liebesbeziehung, die in der Kafka-Forschung kaum mehr als eine Randnotiz ist, anhand von Tagebüchern und Briefen ausgearbeitet hatte.

Was fällt einem bei dem Namen Kafka ein? Sicherlich nicht eine Liebesgeschichte, und genau diese Facette beleuchtet der Roman. Die Verfilmung haucht, auch mit einer stimmigen Besetzung, diesen Figuren Leben ein. Das Drehbuch-Autorenteam Michael Gutmann und Georg Maas streichen die Gegensätze heraus und geben diesem Lebensbejahenden Abschnitt einer Biografie, die man gemeinhin von der düsteren Seite wahrnimmt, einen Raum.

Er ist der Introvertierte, der linkisch und komplett unpassend gekleidet am Strand steht. Sie ist die fröhliche, patente Lebendigkeit. Zwischen ihnen liegen viele Jahre, er ist 40 und sie 25. Andererseits ist sie die Unabhängige und er bräuchte dringend eine Abnabelung. Nicht nur ihr Temperament, auch ihre Herkunft und ihre Lebenssituation könnten nicht unterschiedlicher sein.

Ein ähnlich großer Gegensatz herrscht zwischen der Luftigkeit und Helle an der Ostsee und der kalten Tristesse in der Hauptstadt. Berlin ist hier nur ein zugiges Zimmer mit misstrauischer Wirtin, einem Kohleofen und der Armut der Wirtschaftskrise rundum. Vom Berlin in den Jahren 1923 und 1924 erkennt man kaum etwas und auch die Zwänge und Selbstzweifel, denen Kafka, abseits seiner Erkrankung ausgesetzt ist, kommen etwas zu kurz. Er ist finanziell von seiner Familie abhängig, die diese Beziehung nicht gutheißt. Sie dagegen übt einen Beruf aus und steht mit beiden Beinen fest im Leben.

Was er an ihr fasziniert haben mag, kann man nachvollziehen. Was sie an ihm fand, der hier wahrlich nicht als Autor von Weltliteratur gezeichnet wird, ist schon schwieriger zu deuten. Das schwierige Verhältnis Kafkas zu seiner Familie wird nicht näher beleuchtet und auch die Beziehung zu seinem Freund Max Brod (Manuel Rubey), der sich über seinen letzten Wunsch, seine Texte zu vernichten, hinweggesetzt hatte, bleibt vage. "Die Herrlichkeit des Lebens", eine deutsch-österreichische Produktion, wirkt darum doch eher wie ein gut abgestimmtes Melodram für das Kafka-Jahr.

Elisabeth Nagy


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"THE PERSIAN VERSION" Tragikomödie von Maryam Keshavarz über eine amerikanisch-iranische Großfamilie, die 2023 den Publikumspreis des renommierten Sundance-Film-Festivals gewann. (USA, 2023, 107 Min.) Mit Layla Mohammadi, Niousha Noor, Kamand Shafieisabet u.a. ab 14. März 2024 im Kino. Hier der Trailer im Verleih von Sony:



Ulrikes Filmkritik:

Leila (Layla Mohmmadi) ist eine iranisch-amerikanische Filmemacherin in New York deren Lebenswandel ihrer Mutter Shireen (Niousha Noor) sehr missfällt. Leila lebt in der neuen Welt ihre Mutter in der alten. Das führt zu Spannungen.

Der Film beginnt mit einer LGBTQI-Halloweenparty von Hipstern in New York. Die Matriarchin des Familien-Clans, der aus einem herzkranken Ehemann, acht Söhnen und Leila besteht, duldet die sexuellen Beziehungen ihrer Tochter absolut nicht.

Wann immer Mutter und Tochter aufeinandertreffen gibt es Streit. Tochter Leila (Layla Mohammadi) vermeidet es nach Möglichkeit, die Mutter und ihre acht Brüder zu sehen. Erst als ihre Großmutter Mamanjoon (Bella Warda) ihr so Einiges aus dem Leben der Vergangenheit im Iran erzählt, kann Leila die Mutter besser verstehen.

Ihre Eltern gingen in die USA, weil man während des Vietnamkrieges Ärzte brauchte.

Erst als der Vater ein neues Herz bekommt reist Leila nach New Jersey, wird aber von Shireen aus dem Krankenhaus verbannt mit der Begründung, sie solle sich zu Hause um die Großmutter kümmern. Die Geschichte der Großmutter ist mehr als traurig. Mit 13 hat sie geheiratet, ein Kind nach dem anderen bekommen, ihr Becken war viel zu eng, eine Tochter wurde tot geboren.

Leila beginnt ein Script über ihre Mutter zu schreiben in dem sie über die Vergangenheit schreibt, während die Gegenwart mit Hochzeit, Krankenhaus und ungewollter Schwangerschaft gefüllt ist, aber auch mit Entertainment und Partys à la Bollywood.

„The Persion Version“ erzählt die Geschichte von starken Frauen, die sich aus dem Korsett von patriarchalischer und religiöser Unterdrückung befreien und das mit knallbuntem Humor und Energie, im Genre einer Komödie.

Regisseurin Maryam Keshavarz erhielt für die turbulente Familiengeschichte den Publikumspreis des renommierten Sundance- Film-Festivals 2023.

Ulrike Schirm


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"SQUARING THE CIRCLE: The Story Of Hipgnosis" Dokumentation des niederländischen Fotografen Anton Corbijn über die legendäre Londoner Agentur Hipgnosis, die viele der berühmtesten und teuersten Aufnahmen für Plattencover der Siebziger Jahre gestaltet hatte. (Großbritannien, 2022; 101 Min.) Mit Aubrey Powell, Robert Plant, Jimmy Page, Roger Waters, David Gilmour, Nick Mason, Paul McCartney, Peter Gabriel, Noel Gallagher, Glen Matlock, Merck Mercuriadis, David Gale, Jenny Lesmoir-Gordon, Storm Thorgerson, Roger Dean, Jill Furmanovsky, Richard Manning, Alex Henderson, George Hardie, Peter Saville, Humphrey Ocean, Graham Gouldman, Andrew Ellis, Carinthia West und Richard Evans. Ab 14. März 2024 im Kino. Hier der Trailer:



Synopsis:
Das von Storm Thorgerson und Aubrey Powell in 1960er Jahren in Cambridge gegründete Design-Label-Studio »Hipgnosis« gestaltete viele der berühmtesten Plattencover in den 1970er Jahren. Damals gab es noch kein Photoshop, um Bilder zu manipulieren, weshalb die beiden exzentrischen Agenturgründer keine Mühen und Kosten scheuten, um rote Bälle in der Sahara zu fotografieren (für "Elegy" von The Nice), eine Trophäe auf einem Alpengipfel ("Wings Greatest") und ein fliegendes Riesenschwein, was nach einem Malheur zur Sperrung des Flughafens Heathrow führte ("Animals" von Pink Floyd). Für "Look Hear?" von 10cc legten sie ein - mit Valium beruhigtes - Schaf auf eine eigens angefertigte Psychiatercouch, die inmitten der Meereswellen von Hawaii stand. Und für "Wish You Were Here" von Pink Floyd zündeten sie sogar einen Mann an.

Der mindestens ebenso berühmte Fotograf und Cover-Künstler Anton Corbijn erzählt in seinem ersten Langfilm von diesen und weiteren Geschichten in seinem grandiosen Kino-Dokumentarfilm "Squaring The Circle - The Story of Hipgnosis", zu deren Kunden berühmte Rock-Bands wie Led Zeppelin, AC/DC, Genesis, Black Sabbath, Paul McCartney und Pink Floyd gehörten.

Elisabeths Filmkritik:

Eine Anekdote: Noel Gallagher kommt nach Hause und seine Tochter fragt ihn, wo er denn gewesen wäre. Er wäre auf einem Meeting gewesen, antwortete er. Auf was für ein Meeting müsse er denn gehen, fragte die Tochter. Es wäre um ein Cover gegangen. Was ist denn ein Cover?

Wie erklärt man einem Kind in der heutigen Zeit, was ein Cover ist? Das kleine Bild auf deinem Telefon, sagte er also. Ach und für so etwas gibt es Meetings? Um es gleich vorwegzunehmen: Noel Gallagher ist zwar Teil der Runde, die in "Squaring the Circle" interviewt werden und die dann hauptsächlich Anekdoten erzählen. Aber eigentlich ist er gar nicht Teil der Geschichte.

Es bleibt Anton Corbijns Geheimnis, warum ein Spätgeborener in der illustren Runde von Altstars wie Jimmy Page, Roger Waters, Paul McCartney und so weiter, alles Kunden bzw. Auftraggeber der Grafik-Design-Firma »Hipgnosis«, dabei sein darf. Oasis, die Band, die Noel Gallagher berühmt machte, wurde erst 1991 gegründet. »Hipgnosis« war ein Kind der 60er und war Mitte der 80er bereits Schnee von gestern. Die Musikszene erfindet sich schließlich immer wieder neu.

Bei dem G in »Hipgnosis« handelt es sich nicht um einen Tippfehler. Das Wort setzt sich aus Hip und Gnosis zusammen. Einmal kurz nachschlagen, Gnosis heißt Wissen. Wie »Hipgnosis« zu seinem Namen gekommen ist, wird natürlich erzählt. Ich möchte aber nicht alles vorwegnehmen. Wobei "Squaring the Circle" wahrscheinlich gerade das Publikum anspricht, das deren Output kennt. Dazu gehört sicherlich auch Anton Corbijn, der ja nicht nur Photograph ist, sondern selbst Bands photographiert hat und somit Plattencover verantwortet. Zum Beispiel von der Band U2.

Fangen wir anders an. Was für eine Musik vermutet man, wenn auf dem Cover eine Kuh steht? Und sonst nichts. Ehrlich gesagt, kann man das gar nicht beantworten, denn die Nachgeborenen denken gleich an Pink Floyd. Damals muss der Einfall, eine Kuh auf den Plattenumschlag zu setzen ungleich erschütternder gewesen sein. Die Kuh auf dem Album "Atom Heart Mother" (1970) war auch eher ein Non-Cover. Es gab keinen Bezug zu der Musik. Pink Floyd wollte jedoch ein Artwork, dass sie aus der psychedelischen Ecke herausholte. »Hipgnosis« spielte mit Collagen, mit Doppelbelichtungen, mit chemischen Prozessen. Zu ihren Einflüssen zählten die surrealistischen Künstler.

Damals, dieses ominöse Damals, waren Plattencover geradezu Kunst. Man hielt das Cover noch in den Händen, während die Platte sich drehte. Über die Verbindung von dem Bild mit der sich die Band und der oder die Interpreten sich präsentierten, gab es einen Zusammenhang oder auch nicht.

Im Vordergrund stand stets die Idee, die dem Publikum vermittelt wird. Anton Corbijn, der seit seinem Film über Ian Curtis von Joy Division ("Control", 2007) auch im Regie-Fach anerkannt wird, lässt nicht nur die allseits bekannten Musiker zu Wort kommen. Wie gesagt: Roger Waters, Paul McCartney, Robert Plant, Peter Gabriel, sondern er holt auch die Leute vom Fach vor die Kamera. Photographen, Photographinnen, Art-Designer, Graphik-Designer und so weiter.

Allen voran Aubrey Powell, die eine Hälfte von »Hipgnosis«. Er und Storm Thorgerson hatten die Firma auf die Beine gestellt. Storm Thorgerson, der mehr für die Vision und Integrität verantwortlich war, ist bereits verstorben. Die Beiden gingen damals, Mitte der 80er, nicht im Guten auseinander, aber Corbijn war der künstlerische Output und die Bedeutung von Plattencovern allgemein wichtiger, als etwas aufzuarbeiten, an dem eh nur noch einer der Beteiligten etwas dazu sagen kann.

Vielleicht fehlt etwas die Einordnung der Bedeutung von Plattencovern im Hier und Heute. Vielleicht ist "Squaring the Circle", der Zusatz "Die Geschichte von Hipgnosis" fehlt in der deutschen Auswertung, auch etwas zu zahm. Die Anekdoten, soweit man sie nicht kennt, machen das aber über die moderate Filmlänge wieder wett und die offene, ehrliche Art von Aubrey Powell ist erfrischend.

Corbijn arbeitete viel mit Archivmaterial. Nicht alles an Aufnahmen war nach heutigem Standard ausreichend. Corbijn behalf sich. Er hält seine Dokumentation weitgehend in Schwarz-Weiß. Er behält aber die Plattencover in Farbe. Ein Effekt, der genau das hervorhebt, worauf es ihm ankommt. Eine Bewunderung für die Zeit, die »Hipgnosis« ermöglichte und die deren Kunst um der Kunst und der Freude daran aufleben lässt, ist sicherlich spürbar. Corbijn hält sich aber zurück. Der Umbruch in den 80ern mit Einsätzen der Synthiepop-Bands wie Depeche Mode wird noch mit eingeflochten. Eine Anekdote, dass damit auch Cobijns Zeit als Photograph von Depeche Mode anbrach, muss noch erzählt werden.

Elisabeth Nagy


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