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Videowünsche zur Realisierung einer Realstadt

Ausstellung im ehemaligen Kraftwerk Mitte in Berlin.



Mit dem trafo, dem neuen Raum für kulturellen und gesellschaftlichen Wandel in Berlin, läutet Dimitri Hegemann im ehemaligen Kraftwerk an der Köpenicker Straße ab heute vielleicht eine Trendwende ein. Der Betreiber des weltweit bekannten Technoclubs "Tresor" ist nicht erst nach dem Ende der Loveparade auf neue Gedanken gekommen. Nein, für ihn waren die Anfänge der elektronischen Musik mit dem Label Tresor schon immer als konzeptionelle Idee einer neuen Musik- und Kulturrichtung gedacht gewesen.

Doch anders als der Gründer der Loveparade, Matthias Roeingh alias Dr. Motte, der sogleich von einer anderen Gesellschaftsordnung träumte, hat Dimiti Hegemann gemeinsam mit dem Detroiter Musiker Jeff Mills von Anfang an immer eine geradlinige Zielrichtung verfolgt, die leider von der Musikindustrie all zu oft durch unsinnige Hypes ausgeschlachtet und verbrannt wird.

"Die jungen Leute heute haben keinen eigenen Stil mehr, sondern eifern nur einer irreführenden Werbung nach, wodurch langfristig angelegte konzeptionelle Ideen immer schwerer zu verwirklichen sind", ergänzt Dimitri Hegemann.

Sogar Vorschläge visueller Art gab es schon einige von ihm. Allein die Fläche des 22.000 Quadratmeter großen Gebäudes für Besucher von Stolperfallen zu befreien und vor gefährlichen Abgründen zu sichern kostet jedoch Unsummen. Der Tresor Club samt der House Music Arena Globus belegen nämlich mit 1.500 qm nur ca. ein Achtel der gesamten Fläche des ehemaligen Kraftwerkes.

Auf unsere Frage vom BAF, ob er sich nochmals eine Art Chroma Park, eine Ausstellung, wie sie Mitte der neunziger Jahre (hier ein Video) im ehemaligen E-Werk zur Techno und Street Art Kunst veranstaltet worden war, vorstellen könnte, kam er fast ins Schwärmen. Sein Wunsch den trafo zu beleben wäre viel weitergehender. Er könnte sich durchaus zur Berlinale eine Videoinstallation oder sogar ein Videofestival in den spannenden Industrieräumen vorstellen. Kontakte zu Dieter Kosslik, dem Direktor der Internationalen Berliner Filmfestspiele wurden sogar schon zaghaft anberaumt. Aber auch dem C/O e.V. mit der Berliner Galerie für Fotokunst, die leider nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit das Postfuhramt in der Oranienburger Straße im nächsten Frühjahr räumen muss, hätte er ein eigenes Stockwerk anzubieten. Die vor wenigen Tagen im Postfuhramt eröffnete Fotoausstellung über den großen Duisburger Modefotografen Peter Lindbergh zeigt sogar ein Video über den Künstler, das von dem Filmemacher Wim Wenders in der Turbinenhalle des ehemaligen Kraftwerks inszeniert wurde.

Im Jahr 2011 steht auch die Talents-Reihe von C/O Berlin unter dem Thema Cinematic Thinking. Bei dem Wettbewerb, zu dem sich Künstler noch bis zum 31.12.2010 bewerben können, soll die klassische Fotografie an der Wand als Präsentationsform, um Projektionen oder Installationen erweitert werden. Filmische Produktionsabläufe experimentieren mit narrativen Strukturen sowie das Zitieren filmischer Ästhetik und Mythen soll die Fotografie bei dem Wettbewerb in Strukturen adaptieren und diese gleichzeitig aufbrechen. Dabei soll vor allem der Frage nachgegangen werden, worin die Stärke des eingefrorenen Momentes im Vergleich zum bewegten Bild liegt? Auch für diesen Wettbewerb könnte sich das Kraftwerk anbieten, solange noch kein anderer Ausstellungsort als Ersatz für das Postfuhramt gefunden worden ist.

Vor drei Jahren war erstmals die Modemesse Bread & Butter im Kraftwerk Mitte zu Gast. Damals wurde alles ziemlich notdürftig für wenige Tage zurechtgeschustert. Das faszinierende Ambiente blieb jedoch im Gedächtnis von Besuchern und Investoren erhalten und sorgte für die notwendige Anschubfinanzierung einer dauerfristigen Nutzung des neuen kulturellen Ortes.

Wünsche als Wirklichkeit

Erster Nutznießer des jetzt im Umbau befindlichen alten Kraftwerkes zum trafo ist vom 2. Oktober bis 28. November 2010 eine Ausstellung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Das schweizerische Team der Heller Enterprises von Martin Heller und der österreichischen Kuratorin Angelika Fitz fügt Wünsche aus ganz Deutschland zu der Ausstellung REALSTADT auf zwei Etagen des Trafo-Gebäudes zusammen. 250 Architektur- und Stadtmodelle sowie 65 deutsche Projekte wollen vom Wunsch nach Veränderung erzählen, denn Trafo heißt wörtliche Wandler und steht als Synonym für wandelbare Prozesse.

In dem spröden, noch unfertigen Gebäude bilden großzügig dimensionierte Bau-Modelle den Schauplatz von REALSTADT. Die Turbinenhalle des 1961 erbauten Kraftwerkes lassen Wünsche als Wirklichkeit aufflammen. Dem Schweizer Architekten Tristan Kobler oblag die Aufgabe, Maßstabsprünge durch verschiedene Blickwinkel und geschickte Beleuchtung der Objekte aufzufangen. Beeindruckend ist im Obergeschoss eine endlos lange Aneinanderreihung visionärer und real verwirklichter Architekturideen. Ein Blick von hoch oben, auf die unten im Erdgeschoss stehenden Städtemodelle, ergeben einen fantastischen Blick aus der Vogelperspektive auf Berlin und andere Metropolen der Zukunft. An fünf verschiedenen Stellen positionierte frei im Raum schwebende Videoscreens zeigen darüber hinaus permanent die Meinungen von Bürgern über Ideen, Wünsche und demonstrierte Objekte.



Abends sollen Diskussionen und Filmvorführungen auf etwas größerer Leinwand in einem separaten Raum den Rahmen der Ausstellung abrunden. Eine Bar, die aus mehr als fünf Meter hoch aufeinandergetürmten knallroten Flaschenkisten aufgetürmt wurde, lädt nicht nur zum Drink ein, sondern erweckt den Eindruck von Hochhäusern, die bis zum Firmament der immens hohen Halle ragen.

REALSTADT
2. Oktober bis 28. November 2010
trafo (ex Kraftwerk)
Köpenicker Straße 59-73
10179 Berlin Mitte
Web: www.berlintrafo.de

Link: www.realstadt.de


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